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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Verfolgung. ... Wir können in diesem Zusammenhang eine besonders beklagenswerte Tatsache nicht beiseite lassen, nämlich die Folterung von Gefangenen in Gefäng nissen und von Verdächtigen, die sich die Ungnade der polnischen Behör den zugezogen haben. Überzeugende Beweise dafür, daß in solchen Fällen mittelalterliche Foltern angewandt werden, liegen zu meinem Bedauern vor. Diese Darstellungen wurden im Völkerbundrat durch Lord Cecil als Delegiertem der britischen Regierung als das Gewissen der Menschheit erschütternd bezeichnet. Sie sind vom Rat nicht untersucht worden, wie das hätte erfolgen müssen. ... Ich möchte Eure Lordschaften an ihre Not erinnern durch Verlesung der Worte eines ausgezeichneten Rechtsgelehr ten, ... Sir Walter Napier, der folgendes schrieb: „Die Führer des Dorfes wurden umringt, in eine Scheune getrieben, entkleidet, niedergehalten und mit dicken Stöcken, die zum Dreschen gebraucht werden, geschlagen. Ärz ten war es verboten, von den Städten in die Dörfer zu gehen. Und die Bau ern, die den Versuch machten, sich zur Behandlung in die Städte zu bege

    ADAP, Serie D, Band VII, Dokument 218
    ben, wurden durch die Polizei zur Umkehr gezwungen. "... Wir dürfen
    nicht vergessen, daß Polen ganz besonders Ursache hat, diese Verträge
    zu beachten, denn die ihm zugestandenen Annexionen wurden ihm unter
    der Bedingung zugestanden, daß es diesen Gebieten Autonomie gewährt.
    Diese Bestimmung wurde von der Botschafterkonferenz 1923, in der unser
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    Land führendes Mitglied war, aufgestellt. ..."
    Das besondere Interesse der Briten am Schicksal der Ukrainer in Ostpolen, das hier herauszuhören ist, erklärt sich aus dem großen Zustrom ukrainischer Emigranten nach Britisch-Kanada.

    Ein weiteres Problem für die Nichtpolen ergibt sich aus der sehr starken Identifizierung aller geborenen Polen mit der römisch-katholischen Kirche. Die Kirche Roms ist in den vergangenen 150 Jahren der Fremdherrschaft im geteilten Polen das Refugium des Polentums gewesen. Das zeigt nun seine Wirkung. So ist nach dem Ersten Weltkrieg „evangelisch sein" in Polen ein Synonym für deutsch, und die Zugehörigkeit zu einer der drei orthodoxen Kirchen in Weißrußland und in der Ukraine paßt nicht zum echten Polentum. Die Formel „Pole ist gleich Katholik" grenzt auch die Juden aus. Das neue Polen setzt – wo das geht – die Kirche zum Polonisieren seiner Minderheiten ein. So nutzt Warschau ein Konkordat mit Rom 43 , um in den katholischen Kirchen Weißrußlands und im Gebiet von Wilna das Russische und das Litauische aus den Gottesdiensten zu verbannen. An deren Stelle treten Polnisch und Latein. Die evangelischen Sonntagsschulen in deutscher Sprache, eine Art des freiwilligen Unterrichts an Feiertagen, werden polizeilich unterbunden.

    Das neue Polen wird kein Vielvölkerstaat wie vordem Habsburg. Es versteht sich nicht als Staat mit einer Vielzahl von Konfessionen und Nationen. Im Polen ab 1920 wird nur akzeptiert, wer polnisch spricht und römisch-katholisch glaubt. Am 14. Dezember 1931 beschreibt der englische MANCHESTER GUARDIAN die polnische Nationalitätenpolitik als eine „Hölle".
    „Die Minderheiten in Polen sollen verschwinden", so schreibt das Blatt.
    „Diese Politik wird rücksichtslos vorangetrieben, ohne die geringste Be
    achtung der öffentlichen Meinung in der Welt, der internationalen
    Verträge und des Völkerbundes. Die Ukraine ist unter polnischer
    Herrschaft zur Hölle geworden. Von Weißrußland kann man dasselbe mit
    noch größerem Recht sagen. Das Ziel der polnischen Politik ist das
    Verschwinden der nationalen Minderheiten auf dem Papier und in der
    Wirklichkeit."
    Weißrussen und Ukrainer als angestammte Mehrheit östlich der Curzon-Linie setzen sich energisch gegen alle Polonisierungs- und Katholisierungsversuche zur Wehr. Als die Regierung Polens daran geht, Land in Weißrußland zu enteig

    Burneleit, Seiten 26 ff
Konkordat vom 10. Februar 1925
Castellan, Seite 156
    nen und 1924 und 1925 die weißrussische Sprache für Zeitungen und Schulen zu verbieten, kommt es zu einem Volksaufstand, zu Terror und zu Gegenterror. Das Land bleibt bis zur Besetzung durch die Sowjetunion im September 1939 unbefriedet.

    Auch in der Ukraine steht das Nebeneinander von Polen und Ukrainern unter einem schlechten Stern. Nach Ende des Weltkrieges kommt es zuerst zu schweren Ausschreitungen der Ukrainer gegen die Polen, die sie als frühere Unterdrücker in Erinnerung haben. Dann erobert

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