Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
Vom Netzwerk:
Schlesien
    Eroberung an Polen, das zu der Zeit seinerseits unter deutscher Oberhoheit steht. 1163, in einem polnischen Erbfolgestreit, greift der deutsche Kaiser Friedrich I. Barbarossa ein, veranlaßt die Gründung zweier schlesischer Herzogtümer und die Einsetzung von polnischen Piastenprinzen als Regenten. Die Piastenherzöge rufen deutsche Handwerker und Bauern in ihr nur sehr dünn besiedeltes Land, um Schlesien zu kultivieren. Schlesien wird damit langsam deutsch. 1202 bricht Polen für über ein Jahrhundert in seine Herzogtümer auseinander, und Schlesien gehört fortan nicht mehr zu einem Staate Polen. Beide Herzogtümer teilen sich im Laufe der Zeit durch Vererbung in zahlreiche piastische Kleinfürstentümer. 1327 erkennen alle Piastenfürsten in Oberschlesien den Böhmenkönig Johann aus dem deutschen Hause Luxemburg als ihren Lehnsherrn an. Böhmen selbst gehört zum Deutschen Reich. 1335 verzichtet Polens König Kasimir der Große, formal und mit Vertrag für alle Zeiten auf seine Oberhoheit über Schlesien und auf Polens Anspruch. Spätestens damit endet die polnische Geschichte Schlesiens. So gibt es bei der Neugründung des Staates Polen nach dem Ersten Weltkrieg seit sechs Jahrhunderten keinen polnischen Anspruch mehr auf Schlesien und seit sieben Jahrhunderten keine politische Verbindung mehr zwischen Schlesien und Polen.

    Die Bevölkerung Oberschlesiens ist zu Ende des Ersten Weltkriegs mit großer Mehrheit deutsch. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als sich OstOberschlesien zum Industriegebiet entwickelt und die Grenzregion attraktive Arbeitsplätze für Menschen im nahen Russisch-Polen und im habsburgischen Galizien bietet, sind große Zahlen polnischer Industrie- und Landarbeiter in Schlesien eingewandert. Mit dem Zusammenbruch des deutschen Kaiserreichs und mit Kriegsende 1918 versuchen die polnischen Delegierten in Versailles und die Nachkommen der polnischen Gastarbeiter, ganz Oberschlesien dem neuen Polen anzuschließen. Im November 1918 erreicht die Revolution in Deutschland auch die Provinz Schlesien. In den Soldatenräten vieler Städte übernehmen Polen das Kommando und hissen die rot-weiße Fahne Polens auf den Rathausdächern. Sie versuchen, den Wechsel von der Monarchie zur Republik in einen Anschluß von Oberschlesien an Polen umzufunktionieren und die Siegerkonferenz in Versailles, wie im Falle Posens und Westpreußens, vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die deutsche Oberste Heeresleitung bereitet dem Versuch ein Ende. Es ist der erste Polenaufstand in Oberschlesien von vieren in drei Jahren.

    Was nun folgt, ist bis zum schlechten Ende äußerst turbulent. Im Januar 1919 finden Reichtagswahlen statt. Polnische Gruppierungen in Schlesien rufen ihre Landsleute auf, die Wahl zu boykottieren. 75% der Wähler votieren dennoch für deutsche Parteien, obwohl die Verhältnisse in Deutschland zu der Zeit äußerst deprimierend sind. Nicht einmal ein halbes Jahr danach, am 7. Mai 1919, ver

    Benoist-Méchin, Band 2 Seiten 157 ff Benoist-Méchin, Band 2, Seite 161
    langt der „Höchste Alliierte Rat" der Sieger die Übergabe ganz Oberschlesiens an Polen. Nach den Januarwahlen ist das ein offensichtlicher Bruch des Selbstbestimmungsrechts der schlesischen Bevölkerung. Die deutsche Delegation in Versailles fordert deshalb eine Volksabstimmung in Oberschlesien. Nach dem Verlust des Saargebiets und des deutschen Teils von Lothringen an Frankreich wäre das bereits das dritte Industriegebiet gewesen, das die Sieger Deutschland nehmen wollten. Das oberschlesische Kohle- und Industrierevier ist zudem ausschließlich von deutschen Ingenieuren und mit deutschem Kapital erschlossen worden.

    Am 16. Juni 1919 gesteht der „Höchste Alliierte Rat" den Deutschen gegen Frankreichs Stimme eine Volksabstimmung zu. Die Wahlen sollen von einer interalliierten Kommission geleitet werden und unter dem Schütze alliierter Truppen stehen. Deutschland muß seine im Abstimmungsgebiet stationierten Truppen vorher abziehen. Nach Abzug der deutschen und vor Eintreffen der alliierten Soldaten bricht ein zweiter Aufstand der Polen los, um der Volksabstimmung und dem fremden Militär zuvorzukommen. Am 10. Juli 1919 sprengen Aufständische, wie sie die Deutschen nennen, oder Patrioten, wie sie die Polen sehen, drei Eisenbahn- und Straßenbrücken, um das umstrittene Gebiet gegen Deutschland abzuriegeln. Dem deutschen Zoll gelingt es zwar noch, Waffentransporte und Propagandamaterial aus Polen

Weitere Kostenlose Bücher