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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Hafen – allerdings nur diese – werden polnischen Behörden übertragen. Polens Einflußauf den Freistaat ist damit klar begrenzt. Doch in den 19 Jahren bis 1939 versucht der Staat Polen, sich den Freistaat in einer Folge kleiner Schritte Zug um Zug einzuverleiben.

    Die Abtrennung der Stadt vom deutschen Reichsgebiet soll dem neuen Polen den von US-Präsident Wilson versprochenen Seehafen zur Verfügung stellen. Ab 1928 allerdings entfällt dieser Grund für Danzigs Sonderstatus. 1928 nehmen die Polen ihren neugebauten Hafen von Gdingen in Betrieb. Sie verfügen von da ab über einen eigenen Zugang zum Meer. Die Siegermächte geben Danzig trotzdem nicht ans Deutsche Reich zurück.

    Polen dehnt das eigene Postnetz auf den ganzen Freistaat aus, obwohl der polnische Postdienst nach Versailler Vertrag ausschließlich für den Hafen vorgesehen ist. Es weigert sich, die Völkerbundwährung, den Danziger Gulden, auf Danziger Gebiet als Zahlungsmittel anzunehmen, obwohl der an das englische Pfund gekoppelt und damit nicht wertlos ist. Das polnische Militär legt gegen den ausdrücklichen Protest des Danziger Senats ein Munitionsdepot im Hafen an. Später versucht Polen, die eigenen Truppen im Hafen zu verstärken, um – wie es heißt – das Depot zu schützen. Die Verstärkung der polnischen Heereskräfte im Hafen von Danzig scheitert allerdings am Einspruch des Völkerbundes. 1932 nutzt Polen einen englischen Flottenbesuch in Danzig, um eigene Kriegsschiffe dorthin zu verlegen. Als der Senat der Freistadt dagegen protestiert, wird ihm von Polen mitgeteilt, daß „polnische Kriegsschiffe das nächste öffentliche Gebäude beschießen werden, falls die Danziger Bevölkerung die polnische Flagge auf den polnischen Schiffen beleidige". Ab August 1932 beansprucht Polen dann generell das Recht zum Aufenthalt seiner Flotte im Danziger Hafen. So weitet sich der Zugriff des polnischen Staates auf den Freistaat langsam aber unaufhörlich aus.

    Der Status des Freistaates Danzig mit einer deutschen Bevölkerung ohne deutsche Staatsbürgerschaft, unter Völkerbundmandat und mit zunehmender Einbeziehung in den polnischen Staat fuhrt zu einem dauerhaften Unmut bei der Bevölkerung im Deutschen Reich. Ein „Freistaat Liverpool" unter deutscher Oberherrschaft hätte zur gleichen Zeit nicht anders auf die Menschen in Großbritannien gewirkt. Die Deutschen im abgetrennten Danzig reagieren abweisend auf die wachsenden Ansprüche der Polen, und sie wünschen sich, wieder zum eigenen Lande zu gehören. So prägt sich in Danzig ein besonders starkes Nationalempfinden aus.

    Ein durchaus wichtiger Aspekt des Schwebezustands, den Briten und Franzosen mit dem Status einer „Freien" kleinen Republik Danzig unter Oberherrschaft des Völkerbundes mit deutscher Bevölkerung und polnischen Zoll-, Diplomatie- und Handelsrechten schaffen, soll hier nicht übersehen werden. Der hier konstruierte Sonderstatus schafft nicht nur vorhersehbaren Streit und Sprengstoff zwischen

    Roos, Polen und Europa, Seite 47
    Polen und dem Deutschen Reich. Er verschafft den zwei Garantiemächten von Versailles, England und Frankreich, auch ein „Wächteramt" für Danzig und damit ein Mitspracherecht bei allen deutsch-polnischen Streitigkeiten der Zukunft und ein militärpolitisches Standbein in der Ostsee.

    Trotz der Interessenlage der Briten und Franzosen und trotz der Bemühungen der Polen, Danzig auf Dauer in ihren Staat zu integrieren, macht sich Hitler bis zum Sommer 1939 Illusionen. Da Danzig völkerrechtlich nicht ein Teil des Staates Polen ist, glaubt er, er könne bei gegebener Gelegenheit und bei anderweitigem Entgegenkommen einen Weg der Einigung mit Polen finden. Hitler sieht sein Entgegenkommen, abgesehen vom Teschener Zugeständnis, im eigenen, endgültigen Verzicht auf die Menschen und Gebiete, die Deutschland in Posen, Westpreußen und in Oberschlesien verloren hat. Den Verzicht der Polen auf einen Teil ihrer Rechte im Freistaat Danzig hält er für zumutbar. Doch Danzig ist für beide Länder, Deutschland wie Polen, inzwischen ein Symbol.

    Der vierte Gebietsverlust an Polen liegt in Ost-Oberschlesien. Polen fordert beim „Höchsten Alliierten Rat" der Sieger ganz Oberschlesien. Der Anspruch wird auch hier historisch und mit der polnischen Bevölkerung begründet.

    Schlesiens Geschichte unter der Herrschaft Polens ist jedoch nur ein frühes und recht kurzes Zwischenspiel. Um das Jahr 990 kommt Schlesien erstmals durch

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