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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Zeit in ihrer nationalen Selbstbezogenheit, in ihren autoritären Herrschaftsformen, in ihrer Ablehnung des Parlamentarismus, in ihrem Antikommunismus und bedauerlicherweise auch in ihrem Antisemitismus ziemlich nahe. Hitler und Piłsudski sehen im Bolschewismus eine drängende Gefahr für Deutschland, für Polen und letztlich für ganz Europa. Beide haben ein Interesse, den Teil der Ukraine, der östlich der polnischen Grenze liegt, aus der Sowjetunion zu lösen. 140 Piłsudski denkt dabei an eine Föderation seines Landes mit einer Gesamt-Ukraine unter der Oberherrschaft Polens. Hitler bewegt ein Fernziel, das er für eine spätere Zeit im Auge hat, in der Deutschland die Schäden von Versailles überwunden haben wird. Es ist der Ausgleich für die 1918 verlorenen Kolonien durch eine neue Kolonie in der Ukraine. So kommt es 1933 und 1934 zu ein paar vorsichtigen und unverbindlichen Sondierungen zwischen Warschau und Berlin über eine Möglichkeit, gemeinsam in der Ukraine vorzugehen, aber nicht zu mehr. 141

    Hitlers Verhalten gegenüber Polen von 1933 bis 1939 stellt eine Wende der deutschen Außenpolitik nach Osten dar. Die Regierungen vor 1933 hatten stets gefordert, die deutschen Ostgrenzen zu Lasten Polens zu verändern. Das schloß die Möglichkeit der Korrekturen in Westpreußen-Pomerellen und Ost-Oberschlesien ein. Ein Hebel dieser Politik ist vor 1933 die Annäherung Deutschlands und der Sowjetunion gewesen. Hitler dagegen sucht Annäherung an Polen und Abstand zur Sowjetunion. Auch Adolf Hitler will die Revision der Grenzen, doch er beschneidet Deutschlands Forderungen von vornherein auf ein – wie er glaubt – für Polen akzeptables Minimum: die Rückkehr der Stadt Danzig, die ohnehin nicht Teil des Staates Polen ist, und exterritoriale Verkehrswege durch den Korridor. Hitler hofft, die Polen mit langem Atem zu Zugeständnissen in der Danzig-Korridor-Frage zu bewegen, wenn er ihnen für ihre eigenen Ambitionen freie Hand in Osteuropa gibt. Hitlers Rechenfehler dabei ist zu glauben, daß die Polen den Verzicht auf das ehemals deutsche Westpreußen und auf eine Grenzkorrektur in Oberschlesien für ein Entgegenkommen halten. Was ein fairer Kompromiß in Hitlers Augen ist, empfinden die Polen als einen Angriff auf ihre Souveränität, ihre territoriale Unverletzbarkeit und ihre nationale Würde. Hitler verliert seine Illusionen erst, als Warschau nach seiner Zustimmung zur polnischen Annexion von Oderberg und Teschen 1939 nicht einmal den Anschein eines Entgegenkommens für Deutschlands Danzig-Wünsche zeigt. Das ist dann auch der Zeitpunkt, ab dem Hitler in Bezug auf Danzig und den Korridor wieder auf die Karte Moskaus setzt.

    Nach Abschluß des Deutsch-Polnischen Freundschafts- und Nichtangriffsvertrages im Januar 1934 folgen fünf Jahre der deutsch-polnischen Verständigung und Ruhe, auch wenn das Los der deutschen Minderheit in Polen als Schwelbrand zwischen beiden Völkern weiterglimmt. Hinweise auf eine Änderung von Hitlers

    140
    Jacobsen, Seite 82. Die Ukraine-Interessen werden bei Jacobsen durch einseitige Auswahl von Dokumenten fälschlicherweise als ein allein deutsches Anliegen dargestellt.
    141
    Benoist-Méchin, Band 7, Seiten 179f
    Polenpolitik finden sich erst wieder in den Reden, die der „Führer" geheim und vor geschlossenem Kreise vor den Spitzengeneralen der Wehrmacht hält. Am 5. November 1937 spricht Hitler erstmals vor der Generalität und vor seinem Außenminister von Neurath über Krieg und über seine Pläne, Österreich Deutschland anzugliedern und die Tschechei zu annektieren. 142
    Polen findet dabei allerdings nur als Randproblem Erwähnung. Hitler drückt in der Rede zweimal die Hoffnung und Erwartung aus, daß Polen sich bei Kriegen Deutschlands mit dritten Staaten neutral verhält. Kein Hinweis also auf irgendwelche Absichten des Kanzlers, irgendwann einmal auch gegen Polen vorzugehen. Am gleichen Tag, dem 5. November 1937, schließen Deutschland und Polen ein neues Minderheitenschutzabkommen. Auch das kann man kaum als Hinweis auf Hitlers spätere Absichten gegen Polen werten.

    Zwei Wochen nach der Generalsbesprechung kommen Österreich, die Tschechoslowakei und Danzig noch einmal kurz zur Sprache. Am 19. November besucht der englische Abgeordnete und spätere Außenminister Lord Halifax in Abstimmung mit Premier Chamberlain und Außenminister Eden Hitler auf dem Obersalzberg. Er soll sondieren, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es zwischen dem Deutschen Reich

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