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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Möchte
    Polen nicht dadurch in die Arme Englands treiben. Eine evtl. mil. Beset
    zung Danzigs käme nur dann in Betracht, wenn Lipski durchblicken läßt,
    daß die pol. Regierung eine freiwillige Abgabe Danzigs ihrem Volk ge
    genüber nicht vertreten könne, und ihr die Lösung durch einfait accompli
    153
    erleichtern würde."
    Fast genauso hatte sich der Kanzler ein halbes Jahr zuvor gegenüber Generaloberst von Brauchitsch ausgedrückt. 154
    Der Text der Hitler-Weisung vom 25. März 1939 und der Vermerk in den Akten des Auswärtigen Amtes lassen eher bezweifeln, daß Polens spätere Eroberung zu der Zeit schon das unbedingte Ziel des „Führers" ist. Er zieht sie allerdings als Möglichkeit für den Fall einer auch damals nicht auszuschließenden massiven Provokation durch Polen durchaus in Betracht. Hitler hat Polens Kriegssondierungen in Frankreich von 1933 nicht vergessen.

    151
    OKW, Weisung „Fall Weiß" vom 3. April 1939, siehe dtv – Hitlers Weisungen, Seiten 19ff
    152
    IMT-Dokumente Band XXXVIII, Seite 247 – Die Klammerergänzungen stammen vom Verfasser. 153
    ADAP, Serie D, Band VI, Dokument 99
    154
    Benoist-Méchin, Band 7, Seite 185
    Am 26. März erfährt Adolf Hitler vom Polnisch-Britischen Abkommen und von der polnischen Abfuhr in der Danzig-Frage. Wenn er nun Krieg um jeden Preis gewollt hätte, hätte er mit der nicht von Deutschland provozierten Teilmobilmachung der polnischen Armee am 23. März, mit dem gleichzeitig erfolgenden Aufmarsch von Truppen in Richtung Danzig und mit den sich seit Jahresbeginn mehrenden Übergriffen gegen Angehörige der deutschen Minderheit in Polen genug Gründe finden können, sich bei seiner nächsten Weisung an die Wehrmachtsführung auf einen Angriff gegen Polen festzulegen. Statt dessen gibt Hitler mit der Weisung vom 3. April 1939 für den „Fall Weiß" den Auftrag, die Bearbeitung eines Angriffsplans gegen Polen so vorzunehmen, daß der Angriff ab dem 1. September 1939 möglich ist. Er läßt offen, ob es dazu kommt. Vielmehr sagt Hitler dem Oberbefehlshaber des Heeres im Anschluß an die Erteilung dieser Weisung, er wünsche keinen Konflikt mit Polen und er habe auch kein Interesse daran, Polen zu schwächen und damit die Unabhängigkeitsbestrebungen der Ukrainer zu unterstützen. 155

    Der Text der Weisung ist in vielerlei Weise aufschlußreich:
    „ Weisung ‚Fall Weiß' 3. April 1939
    I. Die gegenwärtige Haltung Polens erfordert es, über die bearbeitete
    Grenzsicherung Ost hinaus die militärischen Vorbereitungen zu treffen,
    um notfalls jede Bedrohung von dieser Seite für alle Zukunft auszu
    schließen.
    1. Politische Voraussetzungen und Zielsetzung: Das deutsche Verhältnis zu Polen bleibt weiterhin von dem Grund satz bestimmt, Störungen zu vermeiden. Sollte Polen seine bisher auf dem gleichen Grundsatz beruhende Politik gegenüber Deutschland umstellen und eine das Reich bedrohende Haltung einnehmen, so kann eine endgültige Abrechnung erforderlich werden. ... Die poli tische Führung sieht es als ihre Aufgabe an, Polen in diesem Fall womöglich zu isolieren, d. h., den Krieg auf Polen zu beschränken. ...
    2. Militärische Forderungen: Die großen Ziele im Aufbau der deutschen Wehrmacht bleiben wei terhin durch die Gegnerschaft der westlichen Demokratien bestimmt. Der „Fall Weiß" bildet lediglich eine vorsorgliche Ergänzung der Vorbereitungen, ist aber keineswegs als die Vorbedingung einer militärischen Auseinandersetzung mit den Westgegnern anzusehen.
    3. Aufgabe der Wehrmacht: Die Aufgabe der Wehrmacht ist es, die polnische Wehrmacht zu ver 156 nichten... "
    Die Formulierungen zeigen, daß dies eine „Vorratsweisung" für den Fall ist, daß Polen auf eine Heimkehr Danzigs gegen seinen Willen mit einer Kriegserklärung

    155
    Miksche, Seite 69
    156
    dtv – Hitlers Weisungen, Seiten 19 ff
    reagiert. Die Drohung dazu hat der polnische Botschafter Lipski ja gut eine Woche vorher vor dem deutschen Außenminister von Ribbentrop „von Amts wegen" ausgesprochen.

    Angriffspläne und -befehle auf Vorrat sind in den 20er und 30er Jahren in Europa durchaus üblich, wie der berühmte Foch-Plan zum Angriff der Franzosen und der Polen gegen Deutschland demonstriert. Die Weisung für den Fall Weiß zeigt außerdem, daß Hitlers Vorstellungen über einen Einsatz der Wehrmacht auf lange Sicht nicht in Richtung Polen zeigen. Die Wehrmachtsrüstung ist nach wie vor auf die von Hitler „vorhergesehene" Auseinandersetzung mit den zwei Kolonialmächten im

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