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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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strittigen Gebiete in einer Volksabstimmung über ihre Zugehörigkeit zu Polen oder Deutschland abstimmen zu lassen. 131
    Selbst der hitlersche Vor
schlag einer internationalen Kontrollkommission für die Volksabstimmung
stammt von Lloyd George.

    Es gibt zwei interessante Kommentare zu diesem letzten Vorschlag aus Berlin. Der eine stammt vom französischen Historiker Rassinier, der nach dem Kriege dazu schreibt:
    „Hätten das französische und britische Volk am 30. August von diesen
    Vorschlägen Kenntnis gehabt, so hätten Paris und London kaum den
    Krieg an Deutschland erklären können, ohne einen Sturm der Entrüstung
    132
    hervorzurufen, der den Frieden durchgesetzt hätte."
    Der zweite Kommentar ist von der Ehefrau des britischen Marineministers Cooper überliefert. Sie findet den deutschen Vorschlag, als sie von ihm hört, „so vernünftig", daß ihren Mann Entsetzen packt. Die Vorstellung, daß die englische Öffentlichkeit ähnlich auf den Vorschlag Hitlers reagieren könnte, veranlaßt ihn, unverzüglich beim DAILY MAIL und beim DAILY TELEGRAPH anzurufen und die Redaktionen aufzufordern, den deutschen Vorschlag in einem möglichst ungünstigen Lichte darzustellen. 133

    Als Bilanz der polnisch-deutschen Beziehungen in den 20 Jahren zwischen beiden Kriegen läßt sich sagen, daß das polnische Verhalten in den ersten Jahren recht aggressiv gewesen und nach Deutschlands Gesundung dann defensiv geworden ist. Dabei beharrt Warschau, was den eigenen Besitz betrifft, auf dem in Versailles geschaffenen Status quo. Doch dieser Status enthält mit Danzig, West

    130
    Wilson-Rede vom 4.7.1918 in Mount Vernon 131
    Benoist-Méchin, Band 7, Seite 482
    132
    Rassinier, Seite 291
    133
    Benoist-Méchin, Band 7, Seite 486
    preußen, Posen, Ost-Oberschlesien und der Behandlung der deutschen Minderheit in Polen zu viele Differenzen, als daß er Bestand auf Dauer hätte haben können. Polen, das gegenüber Litauen und der Sowjetunion und bei der Tschechoslowakei keine Skrupel hat, den Status quo von Versailles mit Gewalt zu ändern, verteidigt seinen eigen Status quo ohne jeden kleinsten Kompromiß. Da Polen in der Auseinandersetzung mit Deutschland die Besitzstandwahrung will, und Deutschland die Veränderungen fordert, liegt der Schwarze Peter zum Schluß beim Deutschen Reich. Dennoch kann Polen keinen Vorteil daraus ziehen, daß es mit dem Besitzstand von Versailles 1939 völkerrechtlich besser dasteht, als das Deutsche Reich mit seinen Wünschen. Es verliert Krieg und Freiheit trotz seiner England-Garantien für ganze 50 Jahre.

    Die polnische Regierung hat 1939 durchaus eine andere Wahl gehabt. Sie hat die Chance zu einem Bündnis mit dem Deutschen Reich gehabt, ohne dafür eigene Territorien opfern zu müssen. Danzig, um das es geht, ist schließlich nicht ein Teil des Staates Polen. Polen hätte durchaus als freies Land als Deutschlands souveräner, kleiner Partner seine Rolle spielen können. Polen ist in der Geschichte mehrmals als „Bollwerk des Abendlandes" gegen die Einfälle der Mongolen und Magyaren aufgetreten. Es hätte – so ist Hitlers anfängliche Vorstellung gewesen – durchaus wieder in dieser Rolle stehen können, diesmal im Verbund mit Deutschland gegen den Bolschewismus, den die Sowjets zu der Zeit nach Westen exportieren wollen.

    In einer weiteren Rolle hätten sich die Polen ihr Territorium, die Freiheit und den Frieden sichern können, und zwar als Rückendeckung Deutschlands. Hitler bemüht sich seit 1933, den Ring der antideutschen Koalition zu sprengen, den Frankreich mit der Kleinen Entente um das Reich geschlossen hat. Hitler ist dabei nicht wählerisch. Bei seiner Zwangsvorstellung, daß es irgendwann zum Krieg mit Frankreich und mit Großbritannien kommt, wäre ihm ein ruhiges und verbündetes Polen im Rücken manches wert gewesen. 134
    Nicht umsonst bietet Hitler Polen einen Pakt für 25 Jahre an.

    Polen ist 1939 selbst eine Diktatur wie Deutschland, in der die Menschenrechte der Minderheiten so wenig gelten, wie die Menschenrechte der Juden und der „Andersdenkenden" in Deutschland. Polens Entscheidung zugunsten der westlichen Demokratien im Jahre 1939 ist nicht die Hinwendung zu artverwandten Ländern. Es ist in erster Linie ein Pakt mit den Feinden des eigenen Feindes. Es ist außerdem – was die Polen in ihrem Egoismus übersehen – zugleich ein Bündnis mit zwei Ländern, die sie 1939 gegen Deutschland und 1945 gegen die Sowjetunion aus gleichem eigenen Egoismus zweimal sitzen

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