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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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es noch keine Drohung Deutschlands gegen Polen gibt, geht darauf ein. Am 31. März 1939 spricht Lord Halifax vor dem Unterhaus in London eine Garantieerklärung für Polen aus. 188

    Das Pikante an dieser Patronage der Briten über Polen ist, daß sie aus Verärgerung über Hitlers Umgang mit der Tschechoslowakei zustande kommt. Was man dabei in London nicht recht mitbekommen hat, ist, daß Polen ein halbes Jahr zuvor selbst versucht, die Tschechoslowakei mit Gewalt zu teilen. Am 24. Oktober
    1938 hatte Beck bei Hitler fragen lassen, ob man nicht den Ostteil der Tschechoslowakei, die sogenannte Karpato-Ukraine abtrennen und Ungarn zuschlagen könne. 189
    Polen und Ungarn sind zu der Zeit verbündet. Hitler ist im Oktober
    1938 damit nicht einverstanden. So „schützt" Großbritannien fortan die Polen, weil Deutschland die Tschechei gefleddert hat, wo Polen die Tschechei vorher wegen Deutschlands Veto selbst nicht fleddern durfte.

    Am 3. April 1939 reist der polnische Außenminister nach London, um die britische Garantieerklärung vom 31. März schriftlich zu bekommen und durch eine polnische zu ergänzen. Beide Seiten sichern sich nun zu, sich im Falle der mittelbaren oder unmittelbaren Bedrohung durch andere Staaten gegenseitig beizustehen. 190
    Der genaue Umfang des Beistands und der Hilfen ist einem späteren „dauernden Abkommen" vorbehalten. Dieses Abkommen wird jedoch erst am
    25. August geschlossen.

    Am 7. April 1939 erregt ein völlig anderes Ereignis die Gemüter in Europa und in den USA: Italien greift Albanien an. Am 13. April reagieren Frankreich und England mit einer gemeinsamen Garantie für die Unabhängigkeit Griechenlands und Rumäniens. Am 15. April folgt US-Präsident Roosevelt mit dem schon erwähnten Telegramm an die deutsche und an die italienische Regierung. Von beiden verlangt er die Zusicherung, 31 namentlich genannte Staaten in Europa nicht anzugreifen. 191

    Vom 24. April bis 4. Mai treffen sich Delegationen der Generalstäbe Frankreichs und Englands zu einer Konferenz in London. Thema soll die Garantie für Polen sein, doch es wird fast ausschließlich über die britisch-französische Zusammenarbeit im Falle eines Kriegs gesprochen. Die Debatten und Absprachen drehen sich vor allem um Seewege, um Kolonien in Nordafrika und in Fernost und um Stützpunkte von Gibraltar bis nach Singapur. 192
    Polen ist dabei nur ein Stein im

    188
    British War Bluebook, Document 17
    189
    Roos, Polen und Europa, Seiten 383 f
    190
    Englisch-Polnisches Kommunique über die Besprechung des polnischen Außenministers Beck in London vom 6. April 1939, siehe Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume V, Seiten 35 f 191
    ADAP, Serie D, Band VI, Dokument Nr. 200
    192
    Protokoll des Generals Lelong vom 5. Mai 1939, AA 1939/41, Nr. 6, Dokument 1
    Mosaik der beiden großen Mächte. Der englische Generalstab stellt in Aussicht, in einem Krieg 6 Infanteriedivisionen im Laufe der ersten sechs Kriegswochen nach Frankreich zu entsenden, dazu 10 Territorialdivisionen in einem halben Jahr und weitere 16 im ersten Jahr. In summa sind das 32 Divisionen zur Unterstützung Frankreichs gegen Deutschland und nicht 40, wie General Gamelin wenig später dem französischen Kabinett berichtet. Der Einsatz der britischen Flotte wird bei den Gesprächen nur im Zusammenhang mit einem Krieg gegen Japan und Italien in Betracht gezogen. Von einer direkten Hilfe der Briten für die Polen ist hier keine Rede. Für England geht es im Frühjahr 1939 offensichtlich darum, sich auf eine globale Auseinandersetzung mit seinen Konkurrenten vorzubereiten. Die Polen-Garantie aus London ist erkennbar ein politisches Signal, um Deutschland von Danzig und von Polen fernzuhalten. Sie ist, wie die französisch-britischen Gespräche zeigen, kein Angebot, sofort und vor Ort zu Polens Gunsten einzugreifen.

    Diese Flut von Garantien ist nicht nur Warnung, sie ist auch zugleich Verlockung. So sehr Deutschland und Italien nun damit rechnen müssen, daß keiner ihrer weiteren Gewaltschritte ohne Antwort bleiben wird, so sehr verlockt der Schutz die Polen, in Zukunft kompromißlos gegenüber Deutschland aufzutreten. Schon während der polnisch-britischen Gespräche, am 26. März, übermittelt der aus Warschau zurückkehrende Lipski dem deutschen Außenminister ein klares Nein zum deutschen Danzig-Vorschlag. Er fügt – wie schon erwähnt – hinzu, daß es Krieg mit Polen geben werde, wenn Deutschland seinen Plan zur Rückgewinnung Danzigs weiterhin

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