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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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politischen Mitgestaltung in Europa ferngehalten. Bei der Konferenz von München wird sie sogar von England, Frankreich, Deutschland und Italien ausgeschlossen. So versucht Rußland, mal mit französischer und englischer Unterstützung, mal mit der Hilfe Deutschlands den Weg auf die Bühne der großen Europapolitik zurückzufinden.

    Rußlands Nahziel ist, die 1921 von Polen eroberten weißrussischen und ukrainischen Gebiete östlich der Curzon-Linie wiederzugewinnen. Das Fernziel ist, den Marxismus nach Westeuropa auszubreiten. Der Weg zu beiden Zielen führt immer quer durch Polen.

    Beide Ziele – so schätzt das Stalin ein – könnten der Sowjetunion eines schönen Tages als Ergebnis eines europäischen Krieges der kapitalistischen Staaten untereinander als reife Früchte ohne weitere Kraftanstrengung zufallen. Stalin

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    Documents of International Affairs 1939-1946, Band 1, Seite 471 und Michaelis, Seiten 506 ff
    hofft, daß Europa am Ende eines solchen Krieges mit geschwächten Staaten, verelendeter Bevölkerung und angeschlagenen Armeen eine leichte Beute der marxistischen Revolution und der sowjetischen Expansion werden würde. Hier ähnelt Stalin Hitler, der – wie das Hoßbach-Protokoll überliefert – zunächst auch mit Kriegen in Europa ohne die Beteiligung Deutschlands rechnet. So sucht die Sowjetunion Anfang 1939 ihren Weg zurück auf Europas große Bühne. Sie versucht, in fast gleichzeitigen Gesprächen mit den Westmächten auf der einen Seite und mit Deutschland auf der anderen, ihre Ausgangsposition für spätere Gebiets- und Einflußerweiterungen zu verbessern. Die Tschechei-Besetzung am 16. März 1939 eröffnet Stalin dazu eine willkommene Gelegenheit. Mit Hitlers Tschechei-Besetzung verläßt die deutsche Außenpolitik den Boden ihrer legitimen Ansprüche und geht wildern. Die Antwort läßt nicht auf sich warten.

    Noch am Tag des deutschen Einmarsches in die Tschechei, am 16. März 1939, schlägt Frankreichs Außenminister Bonnet dem sowjetischen Botschafter in Paris französisch-sowjetische Beratungen vor. Er regt an, über gemeinsame Maßnahmen im Falle neuer Aktionen der deutschen Seite gegen ein osteuropäisches Land zu sprechen. Am 18. reagiert der sowjetische Außenminister Litwinow mit einem gleichen Vorschlag an die Regierungen in Paris, London, Warschau, Bukarest und Ankara. 198
    Tags darauf schon folgt der britische Außenminister Halifax mit einer entsprechenden Note an seinen französischen, den polnischen und den sowjetischen Kollegen. Halifax versucht nun, einen französisch-englischpolnisch-sowjetischen Viererbund gegen das Deutsche Reich zu arrangieren. Doch Polen will – wie schon beschrieben – eine sowjetische Schirmherrschaft nicht riskieren und zerstört den ersten Anlauf der großen Mächte, zu einem Übereinkommen zu gelangen. Das Ergebnis ist nicht nur die an früherer Stelle erwähnte britische Garantie für Polen vom 31. März. Polen vereitelt in der Folge auch den weiteren Versuch der Briten und Franzosen, die Sowjets für einen nächsten Krieg ins antideutsche Boot zu holen.

    Obwohl die Sowjets im Frühjahr und im Sommer 1939 mit den Briten und Franzosen über ein Bündnis gegen das Deutsche Reich verhandeln, halten sie sich während der gesamten Zeit die Hintertüre offen, um vielleicht doch nicht gegen sondern mit Deutschland bei den Polen einzugreifen.

    Am 14. April 1939 beginnen französische, englische und sowjetische Unterhändler mit Gesprächen über ein Zusammengehen gegen Deutschland. Am 17. schlagen die Sowjets den Briten und Franzosen einen Dreierbund gegen Deutschland vor. 199
    Am gleichen Tage sucht der sowjetische Botschafter Merekalow in Berlin Staatssekretär von Weizsäcker auf und erklärt ihm,
    „ daß ideologische Meinungsverschiedenheiten das deutsch-russische Ver
    hältnis nicht zu stören brauchten, wie dies bei den russisch-italienischen

    198
    Shirer, Seite 428 199
    Maser, Seite 74
    Beziehungen der Fall sei. " Er setzt fort: „Die Sowjetunion hat die jetzigen
    Reibereien zwischen Deutschland und der westlichen Demokratien nicht
    gegen Deutschland ausgenützt und wünscht auch nicht das zu tun." 200
    So stehen die Sowjets im April 1939 in der Tür der Briten und Franzosen und achten trotzdem darauf, daß ihnen die Tür der Deutschen offenbleibt.

    Zwischen dem 15. April und dem 23. Juni tauschen die englische und die sowjetische Regierung je sieben Noten aus, um den Rahmen für ein Zusammengehen gegen Deutschland abzustecken.

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