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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Polen, den deutschen Druck zum Anschluß Danzigs an das Reich zur „indirekten Bedrohung" zu erklären und darauf militärisch zu reagieren. Schon in einem solchen Falle müßte England Polen nach Artikel 2 unverzüglich mit all' seinen ihm zu Gebote stehenden Kräften unterstützen. So bindet sich die englische Regierung an die vorhersehbaren Entscheidungen der polnischen.

    Es ist so gut wie auszuschließen, daß die Briten mit ihrer Welterfahrung den Vertragstext des Beistandsabkommens unbedacht und ohne Absicht so dehnbar formulieren. Sie zerstören mit ihrer weitgespannten Garantie die letzte kleine Chance für ein Entgegenkommen der Polen in der Danzig-Frage. Da Polen längst erklärt hat, daß eine Änderung des Danzig-Statuts Krieg bedeutet, und da Deutschland angekündigt hat, daß es sich Danzig ab September 1939 auch ohne die Zustimmung Polens angliedern werde, ist das Schutzversprechen Englands nichts anderes als die Erklärung, am Krieg, der nun Dank eigenen Zutuns so gut wie sicher ist, auf Polens Seite gegen Deutschland teilzunehmen. Der Schutzvertrag der Briten vom 25. August 1939 steht in bemerkenswertem Gegensatz zu der lastminute-Vermittlungstätigkeit der Londoner Regierung in den Folgetagen. Großbritannien vermittelt in den letzten Tagen vor dem Kriegsbeginn an einer Tür, die es de facto selber abgeschlossen hat. Wenn man den britisch-polnischen Beistandsvertrag vom 25. August allein betrachtet und die englischen Vermittlungsversuche, die dann noch folgen, außer acht läßt, entsteht der Eindruck, als habe die englische Regierung zum Schluß mit Raffinesse auf den Ausbruch eines Krieges hingewirkt. Mit dem „Fall Danzig" entsteht – so könnte das Motiv gewesen sein – der geschickt eingefädelte und dennoch dem äußeren Anschein nach nicht selbst verschuldete „Fall Krieg", in dem Großbritannien dem Machtzuwachs des Deutschen Reiches mit Hilfe der Polen, Franzosen und der Amerikaner ein Ende setzen kann. Mit einem solchen Kriege wären dann auch Hitlers Forderungen nach der Rückgabe der früheren deutschen Kolonien aus der Welt zu schaffen.

    Mit der Zusage aus London im Marschgepäck ist man nun in Warschau – eine Woche vor Beginn des Krieges – auch nicht mehr bereit, in der Danzig-Frage auch nur einen einzigen Schritt auf Deutschland zuzugehen. Polen lehnt Deutschlands Ansprüche auf Danzig und die Transitwege durch den Korridor in deutscher Hoheit ab und verläßt deshalb in Vertrauen auf Großbritannien die seit 1934 gewachsene Partnerschaft mit Deutschland. Die polnische Regierung setzt mit diesem Wechsel auf ein britisches Interesse am Schicksal Polens, das es in Wirklichkeit nicht gibt. So wechselt Polen 1939 in das antideutsche Lager und besiegelt damit seine Unfreiheit für die nächsten 50 Jahre.

    Aufschluß über Englands Interessenlage gibt ein Geheimes Zusatzprotokoll, das Briten und Polen in Ergänzung zu ihrem Beistandsabkommen unterzeichnen. Im Geheimen Zusatzprotokoll vom 25. August wird präzisiert, daß das abgeschlossene Bündnis nur gegen Deutschland gültig ist. 197
    Damit muß England Polen nicht vor der Sowjetunion beschützen, wenn die tut, was auf der Hand liegt. Angesichts der sowjetischen Gefahr, die den Polen genauso wie die deutsche droht, wird durch das Zusatzprotokoll erkennbar, daß England zuvörderst Deutschlands Machtzuwachs ein Ende setzen und nicht in erster Linie Polen schützen will. Als die Rote Armee am 17. September 1939 nach Polen einmarschiert und „Ostpolen" annektiert, nimmt die britische Regierung dies auch ohne Konsequenz zur Kenntnis.

    Die gescheiterte britisch-französisch-sowjetische
    Annäherung

    England und Frankreich sehen in den 30er Jahren mit wachsendem Unbehagen, wie sich Deutschland innenpolitisch, wirtschaftlich und militärisch neu formiert. Zur Zeit des österreichischen Anschlusses und der Angliederung der Sudetenlande im Jahre 1938 fühlen sich beide Länder außerstande, den deutschen Forderungen militärisch einen Riegel vorzuschieben. Im Falle Österreichs und der Sudeten sprechen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und 1000 Jahre gemeinsame Geschichte außerdem für das Verlangen der Deutschen, Österreicher und Sudetendeutschen. Das Unbehagen der Briten und Franzosen wird durch die Legitimität dieser Politik des „heim ins Reich" allerdings nicht kleiner.

    Die Sowjetunion, zunächst nicht vom Deutschen Reich bedroht, hat andere Pläne und Probleme. Sie wird seit dem Ersten Weltkrieg weitgehend von der

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