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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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verfolgt. Diese erste Kriegsdrohung aus dem Munde eines polnischen Diplomaten hätte es vielleicht nicht gegeben, wenn die polnische Regierung nicht damit hätte rechnen können, daß England und Frankreich Krieg an Polens Seite führen werden. Hitlers erste Weisung zum Kriege gegen Polen ergeht ja erst eine Woche nach der Drohung des polnischen Botschafters.

    Die britische Garantie wirkt noch auf andere Weise kontraproduktiv. Polens neue harsche Ablehnung einer Rückgliederung Danzigs an das Reich zeigt Hitler, daß ihm der Verhandlungsweg nun offensichtlich nicht mehr offensteht. Hitler glaubt zwar noch, daß England Polen in der Krise fallen lassen wird, und er bietet Polen am 28. April noch einmal einen Handel „Danzig für Gegenleistungen" an, doch ihm wird in dieser Zeit auch klar, daß weitere Gespräche mit Polen unter Englands Schirm so gut wie sinnlos sind. Englands Garantie vom März 1939 zerstört die letzten Chancen, den deutsch-polnischen Streit auf Danzig und die exterritorialen Transitwege einzugrenzen. Mit Englands Rückendeckung kann Polen die Heimkehr Danzigs zu einem casus belli 193
    machen. Wenn Deutschland Danzig will, muß es von nun ab Krieg mit Polen fuhren. Lord Halifax' Zusage an die Polen im März 1939 ist genau das gleiche wie Kaiser Wilhelms II. Zusage an die Österreicher im Juli 1914, „Deutschland werde in gewohnter Bündnistreue zu Österreich-Ungarn stehen". Es ist ein Blankoscheck für Polen.

    193
    Anlaß für einen Krieg
    Der britische Botschafter Henderson, der von Berlin aus die Gefahr sieht, die von Englands Rückendeckung für die Polen ausgeht, schreibt am 18. Juli 1939 in einem Bericht nach London:
    „Hitler mag schon glauben, daß England in jedem Falle Krieg mit
    Deutschland führen will. Wenn er es noch nicht glaubt, so fehlt nicht mehr
    viel, ihn zu einer solchen Meinung zu bringen. ... Auch halte ich es – seien
    wir ehrlich – nicht für politisch klug oder gar fair, die Polen übermäßig
    194

    aufzustacheln. ..."
    Als sich am Verhandlungstisch nichts mehr bewegen läßt, setzt sich Hitler – vermutlich im April 1939 – selbst ein Datum zur Rückkehr Danzigs in das Deutsche Reich.

    Als Polen mit der Gewißheit der englischen und französischen Waffenhilfe hart bleibt, versucht Hitler den Hebel wieder in London, Paris und Moskau anzusetzen. Nachdem am 19. August 1939 der britisch-französische Versuch gescheitert ist, die Sowjetunion auf ein Bündnis gegen Deutschland festzulegen, nutzt Hitler am 25. August die neue Lage. Er bietet der englischen Regierung ein Bündnis an, wenn London dafür bei der Rückgewinnung Danzigs und des Korridors behilflich ist. Als Gegenleistung bietet Hitler die Garantie der dann neuen Grenzen Polens und die deutsche Hilfeleistung bei der Verteidigung des Britischen Empires, wo auch immer in der Welt diese nötig werden sollte. 195
    Doch in London ist man inzwischen fest entschlossen, in der Danzig-Frage Polens Position zu stützen. Zu tief sitzt dort auch die Enttäuschung über Hitlers Handeln gegenüber der Tschechei. Man schenkt dem neuen Garantieversprechen zu den Grenzen Polens kein Vertrauen.

    Am Tag des Hitler-Angebots, am 25. August, schließen London und Warschau das Beistandsabkommen, das sich Beck und Halifax am 6. April in London zugesichert hatten. Artikel 1 des neuen Schutzabkommens wiederholt die AprilVersprechen, im Falle eines Angriffs durch dritte Staaten „unverzüglich alle in der Macht des unterstützenden Vertragspartners stehenden Hilfen zu gewähren." Artikel 2 des Vertrages erweitert das alte Beistandsversprechen allerdings noch ganz erheblich. Da heißt es:
    „Artikel 2
    (1) Die Zusagen aus Artikel 1 gelten auch in dem Fall, daß ein europäi scher Staat die Unabhängigkeit eines Vertragspartners in direkter oder indirekter Weise zweifellos bedroht und daß der in Frage kommende Ver tragspartner es für nötig hält, mit seinen Streitkräften dagegen Wide 196 rstand zu leisten." 194
    195

    194
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VI, Document 347 195
    ADAP, Serie D, Band VII, Seiten 233 ff
    196
    British War Bluebook, Document 19
    Damit hat sich Großbritannien verpflichtet, auch dann schon einzugreifen, wenn Polen es bei einer „indirekten Bedrohung" für nötig hält, mit Streitkräften Widerstand zu leisten. Mit dieser Formulierung liegt es bei Warschau zu entscheiden, wann eine indirekte Bedrohung – was auch immer dieses ist – zum Kriegsfall wird. Das ist ein Freibrief für

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