Der Krieg, der viele Vaeter gatte
. Wörtlich übersetzt: „Die Völker sind in den Siedekessel des Krieges hineingerutscht".
Die Gemengelage von Motiven, Fehlhandlungen und Schuld, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fuhrt, wird im Nachkriegsdeutschland in den 20er und 30er Jahren durchaus durchschaut. So ist es unausweichlich, daß im Reichstag 1920 keine der Parteien von links bis rechts das Diktum der „Alleinschuld" akzeptiert, das die Sieger dem deutschen Volke auferlegen. Zudem greift die Last der Reparationen, die die Siegerstaaten ab 1919 mit dieser „Alleinschuld" begründen, so tief in das Leben und in den Alltag aller Deutschen ein, daß die Revision von „Alleinschuld" und Versailler Vertrag zum erklärten Ziel und zum Konsens aller Parteien und politischen Gruppierungen im Nachkriegsdeutschland werden. So ergibt sich aus der Unhaltbarkeit der Alleinschuldthese, daß die auf ihr gebaute europäische Nachkriegsordnung bald zusammenbricht und innerhalb von nur zwei Jahrzehnten zu einem neuen Weltkrieg führt.
Der Erste Weltkrieg
Der Erste Weltkrieg dauert vier Jahre und bringt Frankreich 1915/16 an die Grenze seiner Fähigkeit, ihn durchzuhalten. Der Krieg verlangt auch von den Mittelmächten schwere Opfer. So nutzen die Regierungen in Berlin und Wien die Eroberung Rumäniens durch deutsche und österreichisch-ungarische Truppen als eine – wie sie meinen – günstige Gelegenheit, den Gegnermächten Rußland, Großbritannien und Frankreich im Dezember 1916 einen Frieden anzubieten. Das Angebot ist allgemein gehalten und spricht vom „Frieden und Aussöhnung". Die Gegnerstaaten halten die Offerte für ein Zeichen, daß die Mittelmächte schwächer werden und antworten mit der Forderung nach „Sühne, Wiedergutmachung und Bürgschaft" 58 .
Frankreich und Rußland schließen außerdem – wohl um sich gegenseitig in die Pflicht zu nehmen – einen zweiseitigen Geheimvertrag. In diesem Pakt sichern sich die beiden ihre Kriegsgewinne zu. Frankreich soll außer Elsaß-Lothringen das Saargebiet bekommen, und Deutschland links des Rheins soll abgetrennt vom Reich als Pufferstaat unter Frankreichs Oberhoheit kommen. Rußland erhält
Lloyd George, Seite 32 Gebhardt, Band 4/1, Seite 78
dafür die Blankovollmacht „in voller Freiheit nach seinem Belieben seine Westgrenzen festzusetzen". Es soll nach einem Sieg ganz Polen, Konstantinopel und die Dardanellen übernehmen dürfen 59 . So stößt das deutsche Friedensangebot von 1916 nicht nur ins Leere. Es verschärft auch noch die Habgier der zwei Gegner.
Kurz darauf scheitert ein weiterer Versuch, Frieden für Europa zu vermitteln. US-Präsident Wilson läßt bei den kriegführenden Parteien fragen, unter welchen Bedingungen der Krieg beendet werden könnte. Großbritannien und Frankreich stellen für Deutschland und Österreich-Ungarn unannehmbare Bedingungen, und Deutschland geht nach seiner gerade erst gescheiterten Friedensinitiative bedauerlicherweise nicht weiter auf die Botschaft Wilsons ein. Statt die Chance zu ergreifen und die Vermittlung Amerikas zu nutzen, riskiert es Deutschland, die USA in ihren U-Boot-Krieg mit England zu verwickeln.
Da Großbritannien die Rohstoff- und Nahrungsmittelversorgung Deutschlands über See mit einer Fernblockade seiner Flotte unterbindet, versucht auch Deutschland, England von seinem Nachschub über den Atlantik abzuschneiden. Doch das mißlingt zunächst. Zu viele britische Handelsschiffe holen – bevor sie in die umkämpften Seegebiete rund um England kommen, den Union Jack vom Mast und laufen unter amerikanischer Flagge unbehelligt in ihre Häfen weiter 60 . So setzt die Oberste Deutsche Heeresleitung ihre letzte Hoffnung, England auszuschalten und den Krieg doch noch siegreich zu beenden, auf einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg gegen alle Zufuhr Englands über See. Dieser UBoot-Krieg bringt England zwar in eine Krise, doch er führt zur gleichen Zeit zur Kollision mit den USA. Die Vereinigten Staaten von Amerika, obwohl offiziell neutral, stellen einen großen Teil der Transportflotte und der Einfuhrgüter für die englische Versorgung. So werden auch die „neutralen" USA und ihre Schiffe Opfer der deutschen Seekriegsführung gegen England.
Das Verhältnis der USA zu Deutschland bekommt zu der Zeit einen weiteren Dämpfer. Als Rußland 1917 als besiegtes Land aus dem Krieg ausscheidet, ist die Möglichkeit eines Sieges der Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn und Türkei nicht mehr ganz ausgeschlossen. Dies hätte
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