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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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ist sehr aufgebracht, gibt Henderson die Schuld an der Verstimmung – was wohl unberechtigt ist –, beklagt sich über die „Unverschämtheit" der Polen gegenüber Deutschland und erwähnt, daß gerade heute wieder fünf deutsche Flüchtlinge auf dem Weg von Ost nach West bei dem Versuch, die Warthe zu durchschwimmen, vom polnischen Militär erschossen worden seien. Dies habe Hitler sehr erzürnt. 336

    Marschall Göring bittet den Schweden, sofort nach London zu fliegen und der englischen Regierung einen genauen Bericht über die Ereignisse des Abends zu geben, Deutschlands weitere Entschlossenheit zu betonen, zu einer Verständigung zu kommen und mitzuteilen, daß
    „Hitler beabsichtige, Polen im Laufe des morgigen Tages eine Note zu
    übermitteln, die so leichte Bedingungen enthalten würde, daß sie sicher
    lich von Polen akzeptiert und von der englischen Regierung befürwortet
    337
    werden könnten."
    Göring und Dahlems trennen sich um 2 Uhr in der Nacht. Der Schwede informiert, ehe er sich zu Bett begibt, noch Ogilvie-Forbes, damit der schnellstens nach London berichten kann.

    Mittwoch, der 30. August

    Zwei Tage vor dem Kriegsausbruch.
    Morgens um 4 Uhr erhält Henderson aus London die Weisung, der deutschen Reichsregierung mitzuteilen, daß man dabei sei, die deutsche Note sorgfältig zu prüfen und daß man nicht damit rechne, binnen 24 Stunden einen bevollmächtigten Unterhändler aus Warschau nach Berlin zu bekommen. Die Warnung, daß an diesem „letzten" Tag kein Pole kommen werde, gibt Henderson weder an Außenminister von Ribbentrop noch an Hitler weiter.

    335
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VII, Document 482 336
    Dahlems, Seite 95
    337
    Dahlems, Seite 99
    Den ganzen Morgen erarbeitet eine Gruppe von Diplomaten und Juristen nach Hitlers Weisungen und Görings Vorschlägen das neue Verhandlungsangebot an die polnische Regierung.

    Um 5 Uhr startet Dahlems von Berlin. Um 10.30 Uhr wird er in der Downing Street No. 10 empfangen. 338
    Premier Chamberlain hat nach Dahlems' Eindruck
offenbar die Grenzen seiner Geduld erreicht und den Glauben an den Nutzen
weiterer Verhandlungen verloren. 339
    Dahlems beginnt nun, „um die Ecke" zu argumentieren. Er berichtet von den Gewalttätigkeiten der Polen gegen deutsche Flüchtlinge und anderen Grausamkeiten und ergänzt, es sei wichtig, wenn die Deutschen die Gewalttaten der Polen provozierten, die Polen zu überzeugen, daß sie sich nicht zu den Grausamkeiten verleiten ließen und diese unterließen. Dahlems' Argumentation wird akzeptiert. So geht um 17.30 Uhr ein Telegramm aus London an Kennard in Warschau mit dem Auftrag, der polnischen Regierung folgendes zu empfehlen:
    „Die Atmosphäre könnte sich verbessern, wenn die polnische Regierung
    folgende Weisung an alle militärischen und zivilen Behörden gibt:
    1. Nicht auf deutsche Flüchtlinge oder Minderheitenangehörige, die Un ruhe stiften, zu schießen, sondern sie zu inhaftieren.
    2. Von Gewalttätigkeiten gegen Minderheitenangehörige abzusehen und sie zu verhindern.
    3. Deutsche Minderheitenangehörige, die Polen verlassen wollen, ziehen zu lassen.
    4. Aufhetzende Radiopropaganda einzustellen. Bitte unterrichten Sie Außenminister Beck, daß die britische Regierung bestrebt ist, Hitler jeden Vorwand zu nehmen, zu übertriebenen Maß 340 nahmen zu greifen."
    Das Telegramm ist angesichts der so oft von Kennard bestrittenen polnischen Übergriffe gegen Angehörige der deutschen Minderheit in Polen ein bemerkenswertes Dokument.

    Nachdem dieser Punkt abgehandelt ist, interpretiert Dahlems vor Chamberlain und Halifax noch einmal die Einzelheiten der Hitler-Antwortnote mit allen Erläuterungen, die ihm Göring mit auf den Weg gegeben hat. Er vergißt nicht zu erwähnen, daß der deutsche Kanzler angekündigt hat, ein „großzügiges Angebot" für Polen vorzulegen. Hier entschlüpft Chamberlain eine Bemerkung, die nur schwer nachvollziehbar ist, auch wenn sein Mißtrauen gegen Hitler seit der Tschechei sehr wohl begründet ist. Der englische Premier sagt zu Dahlems, er hege den Verdacht, daß die Hitler-Antwort mit den sechs Punkten und der neue Vorschlag für die Polen „eine Finte sei, um Zeit zu gewinnen. 341
    Bisher ist es

    338
    Amtssitz des engl. Premierministers 339
    Dahlems, Seite 101
    340
    British War Bluebook, Document 85 341
    Dahlems, Seite 102
    Vorwurf von Chamberlain und Halifax gewesen, daß Hitler die Polen unter Zeitdruck setzt. Nun soll er selbst versuchen, Zeit zu

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