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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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wirkt so, als habe er Beck selbst empfohlen, niemand nach Berlin zu schicken. 351

    348
    Bavendamm, Roosevelts Weg zum Krieg, Seite 603
    349
    Bavendamm, Roosevelts Weg zum Krieg, Seite 603
    350
    British War Bluebook, Document 84
    351
    Der englische Historiker Nicoll behauptet in seinem Buch „Englands Krieg gegen Deutschland" Seite 187, daß „Botschafter Kennard den polnischen Staatsmännern ständig geraten hat, nicht zu verhandeln, sondern es auf einen Krieg mit Deutschland ankommen zu lassen." Nicoll führt allerdings keine Quelle für diese Behauptung an.
    Um 19.00 Uhr schickt Halifax das nächste Telegramm nach Warschau. Er weist Kennard an, Beck zu informieren, daß die deutsche Seite die englischen Vorschläge zu direkten deutsch-polnischen Verhandlungen und zur Fünf-MächteGarantie angenommen und versichert hat, Deutschland werde die vitalen Interessen Polens respektieren. Doch von den neuen 16 Punkten Hitlers, die er zum Teil schon von Dahlems kennt, wird kein Sterbenswort erwähnt. Statt dessen,
    „daß es so aussieht, als würde die deutsche Regierung an neuen Vorschlä
    352 gen arbeiten, und wenn die eintreffen, könne man weitersehen." Chamberlain versucht ganz offensichtlich, Hitlers Zeitreserve zu verbrauchen.

    Gegen Abend wird auch für die deutsche Seite sichtbar, daß Außenminister Halifax die ganze Frist, die Hitler für eine Friedens- und Verhandlungslösung offenläßt, hat verstreichen lassen, ohne daß er Polen drängt, sofort Gespräche mit den Deutschen aufzunehmen. Um 18.50 Uhr schickt er Henderson in Berlin die Weisung, der deutschen Reichsregierung „nahezulegen, den polnischen Botschafter einzuladen, die neuen deutschen Vorschläge entgegenzunehmen und nach Warschau weiterzuleiten". Halifax unterläuft Hitlers Forderung nach einer sofortigen Aufnahme von Verhandlungen, indem er schreibt:
    „Wir können der polnischen Regierung nicht raten, daß ein polnischer
    Unterhändler mit Vollmachten zur Entgegennahme der deutschen
    Vorschlage nach Berlin kommt." 353
    Das Unterlaufen ist perfekt, weil Halifax den Brief so spät auf die Reise schickt, daß Hitlers Termin für den Beginn der deutsch-polnischen Gespräche bei Ankunft schon verstrichen ist.

    Um 23 Uhr rechnet Außenminister von Ribbentrop in Berlin nicht mehr mit dem Erscheinen eines polnischen Abgesandten. Die von Hitler als „Erwartung" gesetzte Frist ist damit ergebnislos verstrichen. Kurz vor Mitternacht meldet sich dann – zu dieser Stunde völlig unerwartet – Botschafter Henderson, um die gerade erwähnte Antwort seiner Regierung auf Hitlers gestrigen Brief zu überreichen und zu erklären, man habe den Polen nicht zu Gesprächen hier und heute raten können.

    So ist der 30. August zum Kräftemessen zwischen Chamberlain und Hitler geworden, statt zum Ringen um den Frieden. Hitler in Berlin hat den ganzen Tag gehofft, daß Chamberlain angesichts der Kriegsgefahr die Polen drängt, auf Deutschland zuzugehen. Nach dem Brief des englischen Premierministers vom 28. August hatte er ja auch davon ausgehen können, daß die Briten nun zwischen den Deutschen und den Polen vermitteln werden. Hitler glaubt, daß die Drohung mit der aufmarschierten Wehrmacht den Polen Beine macht. Er ist sich ziemlich sicher, daß sein sehr moderates Angebot an Polen auch Chamberlain in letzter Stunde auf die deutsche Seite zieht.

    352
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VII, Document 539 353
    British War Bluebook, Document 88

    Chamberlain in London hat indessen den Polen nicht den geringsten Wink gegeben, in Bezug auf Danzig und den Korridor die eigene Position zu überdenken. Er versucht statt dessen – mit Noten hin und Noten her – im Interesse Polens Zeit zu gewinnen. Ihm geht es nicht um Danzig und um Minderheitenfragen. Ihm geht es darum, daß Hitler seit drei Jahren mit Drohungen dem Ausland gegen- über durchsetzt, was er für richtig hält. Chamberlain will Hitler „zähmen". So verbaut er eine der letzten Chancen, die der Frieden hat, indem er die Vermittlerei so in die Länge zieht, bis Hitlers „Stichtag" kommt. Chamberlain wartet, bis Hitler das Gesicht oder die Geduld verliert. Er läßt den 30. August mit Friedensbeteuerungen und diplomatischem Taktieren verstreichen, statt im Sinne eines Maklers zielstrebig zu vermitteln. Hitler und Chamberlain sind an diesem Tag auf der Schwelle zum Krieg beide die Gefangenen ihrer Erfahrungen der letzten Jahre. Hitler weiß, daß die Siegermächte dem Deutschen Reich

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