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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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unverzüglich Außenminister von Ribbentrop anrufen und bitten, daß man ihm die neuen deutschen Vorschläge aushändigt. Lipski mauert und erklärt, daß er dies ohne Rücksprache mit Warschau nicht tun könne. Henderson beharrt auf seinem Rat und wird persönlich:

    496

    356
    IMT-Verhandlungen, Band X, Seite 311 357
    Henderson, Seite 273
    „Sie haben vier Monate lang den Mund nicht aufgetan. Das wird man Ih
    358 nen vorwerfen, wenn es zum Kriege kommt." Lipski verspricht nun wenigstens, mit seiner Regierung zu telefonieren.

    Zur Zeit des mißglückten Ribbentrop-Henderson-Gesprächs – ebenfalls kurz nach Mitternacht – kehrt Dahlems aus London zurück und fährt direkt zu Göring, um ihm zu berichten. Dahlems beurteilt seine Londoner Mission ganz optimistisch. Er vergißt nicht, Englands Wunsch nach direkten deutsch-polnischen Gesprächen zu erwähnen. Görings Neuigkeit für Dahlems sind Hitlers 16 Punkte. Sein Kommentar, nachdem er sie verlesen hat:
    „Hitler hat in seinem Wunsch, mit England zu einem Übereinkommen zu
    gelangen, ein Angebot an Polen ausgearbeitet, das ein großes Entgegen
    kommen von deutscher Seite bedeutet, das in seiner offensichtlich demo
    kratischen, gerechten und praktisch durchfuhrbaren Art großes Aufsehen
    erregen muß und das sowohl von Polen als auch von England akzeptiert
    werden kann." 359
    Beide Männer, Göring und Dahlems, sind sich bei dem Gespräch einig, in ihrem Ringen um den Frieden nahe am Erfolg zu sein. Dahlems will nun wissen, was bei dem Treffen Ribbentrops mit Henderson herausgekommen ist und ruft von Görings Telefon aus in der Botschaft an. Ogilvie-Forbes 360
    informiert ihn vom Desaster des Gesprächs.

    Es ist jetzt 2 Uhr morgens. Der Marschall und der Schwede versuchen noch zu retten, was zu retten ist. Göring ermächtigt Dahlems, Ogilvie-Forbes sofort den 16-Punkte-Vorschlag Hitlers telefonisch zu diktieren. Damit soll Hitlers Angebot an Polen doch noch zu Henderson gelangen. Unmittelbar danach informiert Göring Hitler von Ribbentrops verpatzter Notenübergabe. Hitler spricht dem Marschall für dessen schnelles Eingreifen seine Anerkennung aus. 361
    OgilvieForbes kann den Hitler-Vorschlag nicht sofort an Botschafter Henderson weiterleiten, weil der sich noch in der polnischen Botschaft aufhält. Er legt die im Telefondiktat niedergeschriebenen 16-Punkte auf Hendersons Schreibtisch und geht zu Bett. Um 9 Uhr findet der Botschafter das Schreiben und kennt nun den vollen Text des Hitler-Angebots. Zeitgleich schickt Göring Dahlerus mit einer Kopie des Textes zu Henderson, damit er sicher ist, daß der Botschafter den richtigen Text in Händen hat. Der nutzt das Erscheinen des schwedischen Vermittlers, ihn zu bitten, den Hitler-Vorschlag so schnell wie möglich in OgilvieForbes' Begleitung zu Lipski in die polnische Botschaft zu überbringen. Um 11 Uhr treffen die beiden Emissäre bei Lipski ein. Die Szene, die nun folgt, hat etwas gespenstisch Unwirkliches. 362
    Die Botschaft ist so gut wie leergeräumt.

    358
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VII, Document 575
    359
    Dahlerus, Seite 105
    360
    Geschäftsträger in der britischen Botschaft während der Abwesenheit des Botschafters
    361
    Rassinier, Seite 294
    362
    Der folgende Ablauf ist von Dahlerus beschrieben. Siehe Dahlerus, Seite 110, und IMT-Dokumente, Band IX, Seite 521
    Die Umzugskisten stehen in der Halle aufgereiht. Das Botschaftspersonal ist damit beschäftigt, die Abreise vorzubereiten. Dahlems liest Lipski in dessen fast leerem Zimmer Hitlers Vorschlag vor, der ja an die polnische Regierung gerichtet ist. Lipski unterbricht nach kurzem Zuhören und erklärt, den Inhalt nicht zu verstehen, und das, obwohl er fließend Deutsch spricht. Der Schwede verläßt den Raum, um eine Abschrift der Hitler-Note zu fertigen und zu übergeben. Derweil eröffnet Lipski dem zurückgebliebenen Ogilvie-Forbes, daß er
    „keinerlei Anlaß habe, sich für Noten oder Angebote von deutscher Seite
    zu interessieren. Er kenne die Lage in Deutschland. ...Er sei überzeugt,
    daß hier im Falle eines Krieges Unruhen ausbrechen werden und daß die
    363 polnischen Truppen gegen Berlin marschieren werden."
    Dahlems kommt zurück und händigt Lipski den Hitler-Vorschlag aus. Inzwischen ist es kurz vor 12 Uhr mittags. Beide Emissäre kehren mit Eile in die britische Botschaft zurück und berichten Henderson. Dahlems informiert gleich von der Botschaft aus auch das Außenministerium in London über seine

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