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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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merkwürdige Begegnung mit Botschafter Lipski. Er beschwert sich darüber, daß Polen offensichtlich ganz bewußt jede Verhandlungsmöglichkeit zerstört. Lipski habe ihm gesagt, die deutschen Vorschläge seien nicht einmal erwägenswert. Dahlems ist erregt, weil er erkennt, daß seine Vermittlertätigkeit wahrscheinlich an der Unbeweglichkeit der Polen scheitert. Zum Ende des Berichts betont der Schwede, daß er selbst den deutschen 16-Punkte-Vorschlag für außerordentlich großzügig hält.

    In London hält man den Dahlerus-Anruf offensichtlich für ausgesprochen wenig hilfreich. Es folgt postwendend eine Ermahnung von Halifax an Henderson „er möge in Zukunft bitte Personen, die nicht zur englischen Botschaft gehörten, daran hindern, seine Telefonleitung zu benutzen." 364
    Diese an sich lächerliche
Ermahnung über eine Telefonbenutzung nährt den Verdacht, daß Außenminister
Halifax zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Vermittlungsbemühungen mehr
wünscht.

    Während der vergangenen Stunden ist im Foreign Office wieder ein Bericht des Botschafters in Warschau Kennard eingetroffen. 365
    Kennard meldet, daß er tags zuvor mit dem polnischen Außenminister Beck gesprochen habe, und daß der ihm eine schriftliche Antwort auf den englischen Vermittlungsvorschlag bis heute mittag versprochen habe. Beck habe sich sehr erleichtert gezeigt, daß sich die britische Regiemng in keiner Weise für die deutschen Forderungen eingesetzt habe. Kennard spricht hier aus, was von Ribbentrop befürchtet und was Göring im Vertrauen auf Englands „faire" Vermittlung nicht vermutet. Die englische Regiemng krümmt keinen Finger, um in Polen Verständnis für die deutschen Posi

    363
    Dahlerus, Seite 110, und IMT-Dokumente, Band IX, Seite 521
    364
    Documents Brit. Foreign Policy, Third Series, Volume VII, Document 589 365
    British War Bluebook, Document 93
    tionen anzuregen. England gibt sich nicht die geringste Mühe, den in Versailles selbst geschaffenen Streitpunkt Danzig aus der Welt zu schaffen.

    Kurz bevor Dahlems das Außenministerium in London von seiner merkwürdigen Begegnung mit Lipski unterrichtet – etwa 12 Uhr mittags – geht ein Telegramm von dort nach Warschau. 366
    Außenminister Halifax fordert Botschafter Kennard auf, zusammen mit seinem französischen Kollegen die polnische Regierung zu ersuchen, der deutschen Reichsregierung zu bestätigen, daß sie „das Prinzip direkter deutsch-polnischer Gespräche akzeptiere". Das ist noch weit entfernt vom Rat, einen zu Gesprächen bevollmächtigten Gesandten nach Berlin zu schicken.

    Offensichtlich nur Minuten nach dem Dahlerus-Anruf über das Verhalten Lipskis folgen zwei weitere Weisungen aus London. Henderson in Berlin erhält um etwa 13 Uhr per Telefon den Auftrag, die Reichsregierung davon zu informieren, daß die polnische Regierung nun ihren Botschafter ins Außenministerium schicken werde. 367
    Und Kennard in Warschau wird um 13.45 Uhr telegraphisch angewiesen 368
    , er möge der polnischen Regierung unverzüglich den Rat geben, ihren Botschafter in Berlin zur Reichsregierung zu entsenden. Lipski solle sich dort bereit erklären, neue deutsche Vorschläge entgegen zu nehmen und nach Warschau zu übermitteln. Warschau könne dann ebenfalls Vorschläge vorlegen. Auch dieses Telegramm enthält noch keinen Hinweis auf den von Hitler geforderten, zur Aufnahme von Gesprächen bevollmächtigten polnischen Gesandten. Es wirkt so, als versuchten Chamberlain und Halifax Hitler in diesem Punkt so lange hinzuhalten, bis er schwach wird oder von sich aus mit dem Krieg beginnt.

    Henderson begibt sich mit seinem Auftrag sofort ins Außenministerium und informiert Staatssekretär von Weizsäcker von der Neuigkeit aus London. Die Botschaft geht sofort an Hitler weiter, der im Begriff ist, die „Weisung Nr. 1 für die Kriegführung", das heißt den Befehl zum Angriff gegen Polen mit seiner Unterschrift in Kraft zu setzen. Hitler soll nach dieser Ankündigung aus London die Unterschrift noch einmal verschoben haben. 369

    Die zweite Anweisung in gleicher Sache, die von Halifax an Kennard, kreuzt sich mit zwei Depeschen aus Warschau nach London und Berlin. In der ersten vom polnischen Außenminister Beck an den englischen Außenminister Halifax erklärt sich die polnische Regierung zu Gesprächen mit der deutschen Reichsregierung bereit. 370
    Diese Nachricht läuft über Kennard und so braucht sie von etwa 12 Uhr mittags bis 18.30 Uhr abends, ehe sie in London

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