Der Krieg, der viele Vaeter gatte
der Ruhrbesetzung teil.
Der Lieferverzug der Deutschen im Jahre 1922 umfaßt Holz und Kohle im Wert von 24 Millionen Goldmark. Die Lieferungen und Zahlungen, die im gleichen Jahr geleistet werden, belaufen sich jedoch auf 1.478 Milliarden Goldmark 94 . So ist der Grund, den die Franzosen als Vorwand für die „kalte Eroberung" des Ruhrgebiets vorschieben, ein Fehl von nur 1,6 % der fälligen Jahresrate.
Die Reichsregierung ist empört, daß die Franzosen trotz des in Versailles geschlossenen Friedens mit Truppen in das Reichsgebiet marschieren. Sie ruft die Bevölkerung auf, „passiven Widerstand" zu leisten. Die Gewerkschaften antworten mit Generalstreik und die Kumpel weigern sich in vielen Städten, den Franzosen ihre Zechen zu überlassen. In Essen erschießen französische Soldaten vierzehn Arbeiter, die versuchen, sich den Beschlagnahmen zu widersetzen. Hunderte von deutschen Männern, die sich gegen die Franzosen stellen, werden
Gebhardt, Band 4/1, Seite 228 Kern, Seite 71
Taylor, Seite 39
Nitti, Seite 71
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nach Frankreich und in die Kolonien deportiert. 80.000 Deutsche werden ausgewiesen und müssen auf französischen Befehl das Ruhrgebiet verlassen 95 . In Deutschland steigt die Bitterkeit. In Frankreich nimmt die Empörung über die „besiegten" Deutschen zu, die den Versailler Vertrag erst unterschrieben und nun nicht eingehalten haben.
Im November 1923 endet die Inflation im Deutschen Reich. Aus einer Billion Papiermark ist inzwischen eine Rentenmark geworden. Da Frankreich jetzt fast so erschöpft wie Deutschland ist und geordnete Finanzen braucht, kommt es 1924 durch amerikanische Vermittlung zum sogenannten Dawes-Plan. Danach muß Deutschland jährlich 1 bis 1,7 Milliarden Mark an Reparationen zahlen, und ab 1928 jährlich, zunächst auf unbegrenzte Dauer, 2,5 Milliarden. Nach 1928 soll dann neu verhandelt werden. Deutschland zahlt zunächst vier Jahre, doch zum großen Teil mit Geld aus Auslandskrediten, die bei Privatbanken in den USA aufgenommen werden. Dafür räumen die Franzosen und die Belgier 1925 das besetzte Ruhrgebiet. 1929, nach einer weiteren Konferenz, wird im sogenannten Young-Plan festgesetzt, daß die Reparationen für den Ersten Weltkrieg bis 1988 cirka 2 Milliarden Mark im Jahr betragen. Dazu kommt als verdeckte Reparation noch eine Beförderungssteuer auf die Deutsche Reichsbahn von einer weiteren dreiviertel Milliarde Mark pro Jahr bis 1966, zu zahlen an die Siegermächte 96 . Nachdem die Reichsregierung die Zahlung dieses Geldes zugesichert hat, werden auch die Besatzungstruppen aus dem Rheinland abgezogen, und zwar vier Jahre vor der in Versailles festgelegten Zeit.
Am 24. Oktober 1929, dem „schwarzen Freitag", stürzen an der Wall Street in New York erst die Börsenkurse ab, dann folgt eine schwere Wirtschaftskrise. In Folge dessen fordern die US-Banken die kurzfristigen Kredite, mit denen Deutschland seine Reparationen hatte zahlen müssen, auf einen Schlag zurück. Das deutsche Bank- und Kreditwesen hält den Abzug der Devisen nur bis Mitte 1931 durch. Für Industrie und Mittelstand in Deutschland stehen nun keine Kredite mehr zur Verfügung. Die Zahl der Insolvenzen und Firmenzusammenbrüche 1930 und 1931 steigt in großen Sprüngen und mit ihr die Zahl der Menschen ohne Arbeit. Zum Jahreswechsel 1931-32 übersteigt die Zahl der Arbeitslosen die Marke von 6 Millionen Menschen.
Auf Bitten des Reichspräsidenten von Hindenburg und durch Vermittlung von US-Präsident Hoover werden die deutschen Reparationszahlungen für ein Jahr ausgesetzt. 1932 beenden die Siegermächte das Reparationsproblem formal auf einer Konferenz in Lausanne. Die restlichen Reparationen können nun durch eine Einmalzahlung von 3 Milliarden Reichsmark abgelöst werden. Doch damit sind die inzwischen angewachsen Gesamtschulden aus den vorher in Amerika gepumpten Reparationen nicht erfaßt und nicht beglichen. Deutschland ist
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Binder, Seite 132 96
Bernhardt, Seite 67
zunächst nicht in der Lage, die 3 Milliarden als „letzte Rate" plus die Auslandsanleihen in den USA plus die Zinsen zu bezahlen. Das Deutsche Reich verhandelt von nun an alljährlich bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich um einen Aufschub der Verpflichtungen.
1953, nach dem Zweiten Weltkrieg, wird der Faden der Reparationen für den Ersten Weltkrieg wieder aufgenommen. Die Abzahlung der Restschulden wird im sogenannten Londoner Schuldenabkommen neu geregelt, soweit
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