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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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beansprucht und damals nicht erhalten. So helfen sich die Polen selbst und erobern und annektieren zwischen 1920 und 1938 Gebiete jenseits der ihnen zugestandenen Grenzen in Litauen, in Rußland, Deutschland und in der Tschechoslowakei.

    Ein weiteres Ergebnis der Pariser Vorortverträge ist das Entstehen dreier neuer Vielvölkerstaaten in Europa. In Polen, in Jugoslawien und in der Tschechoslowakei feiern die Polen, die Serben und die Tschechen ihre neue Freiheit und ihr nationales Selbstbestimmungsrecht. Doch auf der Suche nach nationaler Identität und Einheit bemühen sich die drei genannten Titularnationen, den anderen Volksteilen innerhalb ihrer neuen Staaten ihre Sprache, ihre Sitten und ihr Wesen aufzuzwingen. So beginnen schwere Zeiten für die neuen Minderheiten von Ukrainern, Weißrussen, Juden, Österreichern, Ungarn, Albanern, Mazedoniern, Montenegrinern, Kroaten, Slowenen, Ruthenen und Slowaken. Die Selbständigkeitsbestrebungen der vielen Minderheiten in der Tschechoslowakei und in Polen bilden den leicht entflammbaren Untergrund, auf dem diese zwei Vielvölkerstaaten 1939 niederbrennen.

    Nachkriegsösterreich und Nachkriegsungarn, jetzt beide unabhängig voneinander, sind nur Reste ihrer alten Vorkriegsgröße. Beide Völker sind gezwungen, große Teile ihres Landes und damit Millionen ihrer Bürgen an die neuen Nachbarstaaten abzutreten. Dies, die Nachkriegsnot und der Vorwurf der Alleinschuld am vergangenen Kriege ähneln den Problemen und der Lage Deutschlands so, daß beide Staaten auch für die Zukunft wieder zu den natürlichen Verbündeten des Deutschen Reiches werden.

    Karte 3: Zerschlagung der Donau-Monarchie

    Nachkriegsdeutschland wird von Reparationen in Geld, in Natural- und Sachleistungen so stranguliert, daß die Not für jedermann im Lande deutlich spürbar ist. Dazu kommen die Verluste an Territorien und Menschen. Die Ausgliederung von 7 Millionen Menschen aus dem Deutschen Reich und die Grenzen neuer Staaten trennen Millionen von Familien auf unbestimmte Dauer. Not, Trennung und Vertreibung wird mit dem Kriegsschuldvorwurf psychologisch eine Krone aufgesetzt. Der Bevölkerung ist vier Jahre nach 1914 noch zu gut im Gedächtnis, wie Kaiser und Regierung kurz vor Kriegsausbruch versuchten, Rußland undFrankreich vom Kriege abzuhalten. So wird Artikel 231, der Deutschland und den Verbündeten die Alleinschuld zuschiebt, von der Masse aller Deutschen als politische Zwecklüge zur Rechtfertigung der exorbitanten Reparationen angesehen. Ein Weiteres zeigt Wirkung. Die Einmärsche und Angriffe von Truppen aus Frankreich, Belgien, England, Litauen und Polen in den 20er Jahren, gegen die das Deutsche Reich mit nur 100.000 eigenen Soldaten so gut wie hilflos ist, führen jedermann vor Augen, daß Deutschland zum eigenen Schütze wieder aufgerüstet werden muß. Da der Versailler Vertrag ein glatter Bruch der fünf Noten und Friedensangebote Wilsons ist, wird er von Politik und Militär nur als gigantischer Betrug betrachtet, der kein Befolgen schuldet, auch nicht, daß Deutschland dauernd wehrlos bleibt. Man schließt aus dem Erlebten, daß man auch in Zukunft vom Ausland weder Gutes noch Fairneß zu erwarten hat. So bleibt die Stimmung, bis der nächste Krieg beginnt.

    Die Gebietsverluste spielen in der politischen Diskussion der Nachkriegsjahre zunächst nur eine sekundäre Rolle. In Deutschland wünscht sich deswegen fast niemand einen neuen Krieg. Doch die Parteien im Reich von ganz links bis ganz rechts und die Bevölkerung streben nach einer generellen Revision des Vertrages von Versailles. Als die Siegermächte dem Deutschen Reich und damit den demokratischen Kräften der jungen Republik zehn Jahre lang in dieser Frage substantiell so gut wie nicht entgegenkommen, sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit der Demokraten. Es sind die radikalen Arbeiterparteien, die daraus Vorteil ziehen, die Kommunistische Partei und die Nationalsozialistische Arbeiterpartei. Beide werben mit dem Versprechen, den Vertrag zu brechen. Im Zentralorgan der KPD „DIE ROTE FAHNE" ist am 24. August 1930 als Programm zu lesen:
    „ Wir erklären feierlich, daß wir im Falle unserer Machtergreifung alle sich
    aus dem Versailler Frieden ergebenden Verpflichtungen für null und nich
    tig erklären werden."
    So steigt die Zahl der Mandate der zwei linken Radikalparteien ab den Reichstagswahlen von 1930 sprunghaft an. Die Mandate der bürgerlichen Parteien und die der Sozialdemokraten nehmen

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