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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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später – wie sich die Sieger hätten denken können – zum Bumerang, der zwar erst die Deutschen, doch irgendwann sie selber trifft. Nachdem Deutschland 1927 abgerüstet hat, weigern sich die Siegermächte, ihre Pflichten selber einzuhalten und ihre Flotten und Armeen abzubauen. Darüber ist man in Deutschland allgemein empört. Die deutschen Reichsregierungen verlangen daraufhin zunächst, daß die Sieger mit der Truppenreduzierung folgen. Als

    Vertrag von Versailles
    das nichts fruchtet, fordern sie das Recht für Deutschland, in angemessenem Umfang wieder aufzurüsten und die kleine Reichswehr der Größe der Armeen der Sieger auf diesem Weg ein wenig anzugleichen. Doch vor Hitlers Wahl zum Kanzler ist das auf dem Verhandlungsweg nicht durchzusetzen. Als Hitler 1933 erst mit Vorsicht und dann mit Vehemenz die Wehrmacht wieder aufbaut, paßt das zunächst nur zu gut in den Rahmen dessen, was sich die Sieger selber leisten. Bis 1937 gibt es deshalb in Deutschland auch kaum Gründe, hinter Hitlers Rüstungsdrängen die Absicht zu vermuten, demnächst einen Krieg zu führen. Artikel 8 des Versailler Vertrages holt die Sieger unter Hitler wieder ein.

    Als drittes wird Abschnitt 5 aus Teil III des Vertrages Folgen zeigen. Dieser Teil des Vertrages bestimmt, daß Deutschland Elsaß und Lothringen an Frankreich abzugeben hat. Es ist hier nicht das Territorium, um das es geht, sondern der Grundsatz „pacta sunt servanda", der gebrochen wird (Verträge sind zu halten). Der Friede von Frankfurt, mit dem der Deutsch-Französische Krieg 1872 beendet wird, legt fest, daß beide Landesteile von nun an auf ewig zum Deutschen Reich gehören. Diese Ewigkeit währt nicht einmal ganze 50 Jahre. Hier zeigen die Entente-Staaten, daß Verträge nur so lange halten, wie sich der jeweils Stärkere daran hält. Auch das hat Einfluß auf das Rechtsempfinden von Öffentlichkeit und Militär in Deutschland. Als Hitler knapp zwei Jahrzehnte später selbst skrupellos Verträge bricht und das auch ohne Scheu verkündet, ist man in Deutschland nicht mehr sonderlich erschüttert. Man nimmt es als Verrohung der internationalen Gebräuche, die man nicht selber zu vertreten hat.

    Als vierter wird Artikel 231 Folgen für die Entente-Staaten haben. Die Siegermächte begründen ihre exorbitanten Reparationsforderungen im Vertrag mit der Alleinschuld Deutschlands und dessen Verbündeten am Krieg. In Artikel 231 heißt es dazu:
    „... daß Deutschland und seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste
    und alle Schäden verantwortlich sind, welche die alliierten und assoziier
    ten Regierungen und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff
    Deutschlands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten
    haben."
    In Deutschland jedoch sind Kaiser Wilhelms II. Versuche vom Juli 1914 nicht vergessen, den Frieden durch Vermittlung und Verhandlung zu erhalten. Man erinnert sich auch an die Mobilmachungen in Rußland und in Frankreich, die Deutschland erst zum Handeln zwangen, an die Weigerung der Russen, die Mobilmachung ihrer Truppen abzublasen und an das Versagen der Briten und Franzosen, ihren deutschen Nachbarn Neutralität und Frieden zuzusichern. Die Behauptung von der Alleinschuld der Deutschen und ihrer Verbündeten ist so dreist, daß die Empörung über die Verlogenheit der Sieger und die Betroffenheit aus tief verletztem Ehrgefühl in Deutschland keine Grenzen finden. Entsprechend sind die Reaktionen.

    Reichsjustizminister Otto Landsberg (SPD), einer der deutschen Delegierten in Versailles sagt, was viele im besiegten Deutschland denken:
    „Dieser Friede ist ein langsamer Mord des deutschen Volkes."
    Das Urteil fällt selbst im Ausland oft nicht anders aus. Staatssekretär Lansing aus der Versailler US-Delegation kommentiert den Vertrag in einer Aktennotiz vom 8. Mai 1919 wie folgt:
    „Der Eindruck, den der Friedensvertrag macht, ist enttäuschend. Erweckt
    Bedauern und Niedergeschlagenheit. Die Friedensbedingungen erscheinen
    unsagbar hart und demütigend, während viele von ihnen mir unerfüllbar
    erscheinen. Es mag Jahre dauern, bis diese unterdrückten Völker imstande
    sind, ihr Joch abzuschütteln, aber so gewiß wie die Nacht auf den Tag
    folgt, wird die Zeit kommen, da sie den Versuch wagen. Wir haben einen
    Friedensvertrag, aber er wird keinen dauernden Frieden bringen, weil er
    82 auf dem Treibsand des Eigennutzes begründet ist.".
    William Bullitt, Diplomat und Mitglied der amerikanischen Delegation in

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