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Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Der Krieg, der viele Vaeter gatte

Titel: Der Krieg, der viele Vaeter gatte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Schultze-Rhonhof
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Westdeutschland anteilig dafür einzutreten hat. Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Nachkriegsstaaten 1990 wird der Rest geregelt. Das wiedervereinigte Deutschland zahlt nun den Anteil der DDR nach. So hat sich die Bundesrepublik verpflichten müssen, die Restschulden aus den Reparationen für den Ersten Weltkrieg und die Zinsen dafür bis zum Jahre 2010 in Raten zu bezahlen 97 .

    Heute, im Deutschland nach dem Jahr 2000, sind solche Zahlungen für den Ersten Weltkrieg kein besonderes Thema mehr, nicht einmal in ihrer symbolischen Bedeutung. Doch 1920 ist „Versailles" von einer ungeheuren Sprengkraft, die die junge Republik von Weimar von innen her zerstört. Die in Versailles beschlossene Plünderung des besiegten Deutschland, die Vertreibung und die Arbeitslosigkeit von Millionen Menschen und die Not, die daraus erwächst, führen nach zehn hoffnungslosen Jahren zu einer Radikalisierung breiter Massen. Das traurige Ergebnis ist 1933 das Ende der Demokratie in Deutschland, der die Sieger vorher keine Chance hatten geben wollen.

    Die subjektive Sicht der Völker

    Die Verträge von Versailles, Saint-Germain, Trianon und die anderen Pariser Vorortverträge verwandeln Europa und Amerika in eine Welt von meist unzufriedenen Nationen. In Frankreich herrscht Empörung über Deutschland, das den unterschriebenen Vertrag nicht erfüllen will. Es herrscht die Furcht, die neue Vormachtstellung auf dem Kontinent „in einer nächsten Runde" wieder zu verlieren. So versuchen die Franzosen, den Ausnahmezustand der deutschen Niederlage in einen Dauerzustand zu verwandeln. Sie weigern sich, selbst abzurüsten und kreisen Deutschland erneut mit einer Serie von Militärverträgen ein.

    In England streicht man die Landgewinne von Versailles ein und ist von nun an eher geneigt, Frankreich als neue „erste" Macht des Kontinents in Schach zu halten. So ist Englands Haltung gegenüber Deutschland in den ersten Jahren nach dem Krieg zunächst abwartend freundlich. Doch die Briten haben in Versailles mitgeholfen, Deutschland durch eine Vielzahl von Konfliktherden an fast allen seinen Grenzen zu beschäftigen und klein zu halten. Alle diese Herde, wie das

    BM Finanzen 27. November 1996
    Saarland, das von deutschem Militär entblößte Rheinland, Eupen, Malmedy, Danzig, Memel, Westpreußen und Oberschlesien kommen ein paar Jahre nach Versailles zum Verdruß der Briten wieder auf die Tagesordnung. Jedesmal stellen diese Herde London vor die Wahl, das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu verleugnen oder dem besiegten Deutschland doch noch nachzugeben. Da die englischen Regierungen keines der Probleme von sich aus lösen, bleibt den Deutschen – und insbesondere Hitler – ein reiches Feld für künftige Erfolge. Das System der von den Briten mitverkorksten Nachkriegsordnung zerbricht 1939, als sie es versäumen, das Problem von Danzig selbst beizeiten anzupacken und zu lösen.

    In den Vereinigten Staaten von Nordamerika hat man am Ersten Weltkrieg mit den Waffen- und Munitionslieferungen an England und Frankreich, mit den Kriegskrediten an die beiden Länder und mit den Leihgeschäften für die deutschen Reparationen gut verdient. Dennoch ist man vom Ergebnis dieses Friedens stark enttäuscht. Präsident Wilson hatte den Kriegseintritt der USA damit begründet, daß die Welt dadurch sicherer werden sollte. Im letzten Kriegsjahr hatte Wilson eine Friedenskonferenz gefordert, auf der Sieger und Besiegte als Gleichberechtigte verhandeln sollten. Und er hatte ein Forum aller Völker zur Bewahrung einer gerechteren Welt unter gleichem Recht für alle vorgeschlagen, den Völkerbund. Die Siegerkonferenz von Versailles und das Diktat als ihr Ergebnis widersprechen Wilsons früheren Visionen so sehr, daß die USA den Versailler Vertrag nicht unterschreiben. Und der Völkerbund wird von Frankreich und Großbritannien so ungeniert dazu benutzt, Deutschlands momentane Unterlegenheit zu zementieren, daß die USA sich weigern, ihm nach der Gründung beizutreten. Die Enttäuschung Woodrow Wilsons über seine bisherigen Verbündeten und über diesen „Frieden" ist so stark, daß er kurz nach Versailles beschließt und anordnet, die US-Kriegsmarine kräftig aufzurüsten. Wilson traut dem Frieden nicht.

    Auch die polnische Elite ist mit den Ergebnissen der Verhandlungen von Versailles unzufrieden. Die polnische Delegation hatte bei den Siegern weitere Gebiete in der Sowjetunion, in der Tschechoslowakei und im Deutschen Reich für sich

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