Der Krieg, der viele Vaeter gatte
sogenannten klerikalen Kräften und Liberalen unter Monsignore Dr. Seipel weichen.
Auch Dr. Seipel und seine Amtsnachfolger können die ökonomischen Probleme der jungen Republik nicht überwinden. Eine Bankenkrise 1928, große Außenhandelsdefizite und die anhaltend zu hohen Auslandsschulden zwingen die österreichische Regierung, neue Lösungswege aufzutun. So betreibt sie die Bildung einer Zollunion mit Deutschland. 1931 versuchen die Außenminister aus Berlin und Wien, eine deutsch-österreichische Wirtschafts- und Zollunion zu gründen, wohl auch mit dem Wunsch von beiden Seiten, daß dies der Grundstein für eine staatliche Vereinigung sein möge. Die Hoffnung auf spätere Vereinigung mit Deutschland ist in Österreich schließlich ungebrochen, und alle politischen Parteien – außer Monarchisten (Legalisten) und Marxisten – sind sich darin einig und äußern dies auch immer wieder. So erinnert der Führer der Sozialdemokraten Dr. Renner am 12. November 1928 in einer öffentlichen Rede an den Beschluß der Verfassungsväter, Österreich und Deutschland zu vereinen, und erklärt:
„Heute, zehn Jahre nach dem 10. November 1918, und immerdar halten
wir in Treue an diesem Beschluß fest und bekräftigen ihn durch unsere Un
terschrift. ... Der Friede von Saint-Germain hat das Selbstbestimmungs
recht der Deutschen in Österreich vernichtet. ... Laßt Österreichs Bürger
frei abstimmen und sie werden mit 99 von 100 Stimmen die Wiedervereini
gung mit Deutschland beschließen." 24
Kern, Seite 77
Die Haltung der regierenden Christlich-Sozialen weicht davon nicht ab. Sie erklären 1931 mit einem Parteibeschluß erneut, daß es ihr Ziel ist, Österreich an Deutschland anzuschließen. Den Weltkriegssiegermächten bleiben solche Reden und Beschlüsse nicht verborgen, und so ist ihre Reaktion auf die Zollunion auch zu begreifen.
Am 24. März 1931 wird die deutsch-österreichische Wirtschafts- und Zollunion mit dem „Wiener Protokoll" besiegelt. Nun hagelt es Proteste aus Paris, London, Prag und Rom. Die Regierungen Englands und Frankreichs bringen das Wiener Protokoll als Bruch des Unabhängigkeitsartikels 88 des Vertrags von Saint-Germain vor den Völkerbund in Genf 25 . Die Klage kommt vor dem Haager Gerichtshof zur Entscheidung, der die Zollunion als unzulässig untersagt. Frankreich fühlt sich obendrein genötigt, Österreich zu bestrafen. Es zieht Kredite aus dem ohnehin geschwächten Österreich ab, wodurch im Mai 1931 die Österreichische Kreditanstalt und wenig später die Darmstädter National-Bank zusammenbrechen. So verschärfen sich noch einmal Österreichs Wirtschaftsschwierigkeiten, und ein weiterer Versuch der beiden Länder, sich zu einer späteren Einheit anzunähern, ist gescheitert.
Die nächsten Jahre sind in Österreich politisch ähnlich turbulent wie die im Deutschen Reich. Am 21. Mai 1932 übernimmt der christlich-soziale Engelbert Dollfuß die österreichische Regierung. Auch er kann Arbeitslosigkeit, Finanzmisere und wirtschaftlichen Niedergang nicht bremsen. Im Sommer 1932 verhandelt Dollfuß deshalb mit dem Völkerbund um einen weiteren Staatskredit. Doch der knüpft daran die Bedingung, daß Österreich dafür in den kommenden zehn Jahren auf jeglichen Versuch verzichtet, mit Deutschland eine Zollunion zu bilden. Bei den Parlamentsdebatten zu dieser Völkerbundsbedingung kommt es im August und Oktober 1932 zu schweren Auseinandersetzungen, bei denen der Nationalrat letzten Endes Parlamentsneuwahlen für das Frühjahr 1933 durchsetzt. Eine weitere Parlamentskrise im März 1933, in der es zuerst nur um einen Eisenbahnerstreik gegangen ist, führt dazu, daß der Nationalrat Bundeskanzler Dollfuß am 15. März 1933 mit einer nicht korrekt zustande gekommenen Entscheidung absetzt. Der läßt nun seinerseits das Parlamentsgebäude von der Polizei besetzen und den Nationalrat fortan nie mehr tagen Damit herrscht seit 1933 auch in Österreich kein Parlament mehr, sondern ein Diktator.
Im Mai 1933 untersagt Dollfuß erst die für diesen Monat vorgesehenen Nationalratswahlen, dann verbietet er die Kommunistische und im Juni die Nationalsozialistische Partei in Österreich. Im September werden sogenannte „Anhaltelager" zur Inhaftierung politischer Gegner eingerichtet. Sie entsprechen den Konzentrationslagern, die im gleichen Jahre auch in Deutschland eingerichtet werden. Mitte Februar 1934 folgt eine Polizeiaktion, um den Kampfverband der
Documents Brit. Foreign Policy, Second
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