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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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hinaus auf die Straße. Holmes ging auf Zehenspitzen im Keller umher. Winzige Fenster sorgten für fahlgraues Licht. Er wartete reglos, während über ihm das Poltern anhielt. Die gierigen Fühler der Kampfmaschine suchten nun nach Nahrungsmitteln. Endlich vernahm Holmes ein dumpfes Stampfen. Der Marsbewohner zog sich zurück.
    Holmes zündete ein Streichholz an. Er sah Fässer mit Salzheringen, Kisten mit Trockenobst und auf einem Regal eine Reihe von Delikatessen in Dosen. Er stopfte seine Taschen mit Hummer, Sardinen, Zunge und Leberpastete voll. Dann erklomm er die Kellerstufen und näherte sich der zerstörten Vorderfront des Hauses. Er hörte nichts. Aber als er auf die Straße hinausspähte, zog er sich erschrocken zurück.
    Der gigantische Feind stand kaum einen Häuserblock entfernt und drehte das Kopfteil von einer Seite zur anderen. Offensichtlich hatte er Holmes entdeckt, denn er kam erneut auf das Wirtshaus zugerast. In dem korbähnlichen Ding auf seinem Rücken strampelte eine Gestalt - Hudson. Holmes flüchtete zurück in den Keller. Im Laufen hörte er das mächtige Dröhnen einer Explosion. Offenbar war die Vorderfront des Hauses eingestürzt. Er verkroch sich in einem Kohlenverschlag in der finstersten Ecke des Kellers. Plötzlich sah er über sich eine quadratische Falltür. Er kletterte auf den Kohlehaufen, drückte die Tür auf und zwängte sich ins Freie. Im gleichen Moment, als er in einem überdachten Hinterhof auftauchte, stürzte das Haus hinter ihm ein. Er hastete durch eine Nebengasse. Zum Glück war inzwischen die Dunkelheit hereingebrochen. Holmes schlich sich auf Umwegen zur Baker Street. Schweratmend blieb er stehen und horchte. Er hatte seinen Verfolger abgeschüttelt. Erschöpft stieg er die Stufen hinauf, zog den Jagdmantel mit dem kostbaren Inhalt aus und warf ihn achtlos zu Boden. Dann ließ er sich auf sein Bett fallen. Am Samstag stieg er erneut auf das Dach von Camden House und beobachtete die Stadt durch Watsons starken Feldstecher. Ein- oder zweimal hörte er in der Ferne die schrillen Sirenenlaute, aber er bemerkte keine Feindbewegungen. Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, zum Primrose Hill hinauszuwandern, aber er sah ein, daß so ein Unternehmen Wahnwitz wäre. Abends schrieb er bis zum Einbruch der Dunkelheit. Er wagte es abermals nicht, Licht zu machen, aber er holte seine Geige hervor und spielte leise, um seine Gedanken zu sammeln.. Gegen Mitternacht erhellte ein grünlicher Blitz den Himmel - zweifellos war der zehnte Zylinder irgendwo in der Nähe von London gelandet. Holmes nahm bei Kerzenschein ein Bad, trank ein Glas Brandy und legte sich schlafen.
    Am Sonntag bot die Stadt ein friedliches Bild. Holmes verließ die Wohnung und ging fast bis zum Regent's Park. Dahinter lag der Primrose Hill mit dem feindlichen Hauptquartier. Plötzlich war jenseits der Baumwipfel ein Schrei zu hören. Holmes flüchtete in einen Kellereingang und horchte. Es war kein durchdringender, schriller Laut - eher ein Klagen, ein Hilferuf. Und er wiederholte sich nicht.
    Wieder heimgekehrt, warf Holmes einen Blick auf seine Uhr. Es war fast Mittag, und er entschloß sich, eine Kleinigkeit zu essen. Danach saß er mit hochgezogenen Knien in seinem Lehnstuhl und dachte nach.
    Die Invasoren bewegten sich weniger frei als zu Beginn durch das eroberte London. Jene Maschine, die ihn am Freitag verfolgte, hatte rasch aufgegeben. Holmes hoffte, daß Hopkins inzwischen in Birmingham eingetroffen war und seine Weisungen weitergegeben hatte. Das würde helfen, der Gefahr zu begegnen.
    Das rote Kraut war ein hoffnungsvoller Fingerzeig. Es lieferte den Beweis für seine Vermutungen. Holmes rief sich einige Vorfälle aus der Geschichte der Menschheit in Erinnerung: Robuste indianische Krieger hatten von weißen Siedlern die Masern bekommen und waren daran gestorben. Auf den Inseln des Südpazifik erlagen ganze Völkerstämme Erkältungskrankheiten. Morse Hudson hatte unter einem starken Schnupfen gelitten, als ihn der Marsbewohner gefangennahm. Sie waren alle hier im eroberten London. Wenn sich eine Krankheit unter ihnen ausbreitete, erfaßte sie vermutlich jeden von ihnen. Holm es fühlte mit einem mal neue Zuversicht. Vor dem Fenster sang ein Vogel. Holmes lächelte. Er wußte, wie sehr Martha das Gezwitscher der Vögel liebte. Welch ein Glück, daß sie in Donnithorpe weilte und sich in Sicherheit befand. Er konnte es kaum erwarten, ihr die Nachricht zu überbringen, daß Morse Hudson keine

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