Der Krieg der Welten
besinnungslos lag, stehen.
"Nehmen Sie ihn!" rief die schlanke Dame und reichte meinem Bruder den Revolver.
"Gehen Sie zum Wagen zurück", bat mein Bruder, indem er sich das Blut aus seiner gespaltenen Lippe wischte.
Sie wandte sich wortlos ab - beide keuchten heftig -, und dann gingen sie zum Wagen, in dem die Dame in Weiß mit krampfhafter Anstrengung das erschreckte Pony zu halten bemüht war. Die Räuber hatten offenbar genug. Als mein Bruder sich wieder nach ihnen umblickte, zogen sie sich zurück.
"Ich setze mich hierher", sagte mein Bruder, "wenn ich darf"; und er stieg ein und ließ sich auf den leeren Vordersitz nieder. Die Dame blickte über ihre Schulter.
"Geben Sie mir die Zügel", sagte sie und strich mit der Peitsche über die Flanke des Ponys. Im nächsten Augenblick verbarg eine Krümmung des Weges die drei Männer den Blicken meines Bruders,
So kam es, daß mein Bruder keuchend, mit zerschnittenem Mund, verletztem Kiefer und blutbefleckten Fingerknöcheln ganz unvermutet auf einer unbekannten Straße mit zwei unbekannten Frauen dahinfuhr.
Er erfuhr, daß sie die Gattin und die jüngere Schwester eines in Stanmore lebenden Chirurgen waren, der in den frühen Morgenstunden von einem gefährlichen Fall in Pinner zurückgekehrt war und auf einer Eisenbahnstation, an der ihn sein Weg vorübergeführt, von dem Heranrücken der Marsleute gehört hatte.
Er war nach Hause geeilt, hatte die Frauen geweckt - das Dienstmädchen hatte sie schon vor zwei Tagen verlassen -, hatte etwas Mundvorrat zusammengerafft, zum Glück für meinen Bruder einen Revolver unter die Sitze gelegt und ihnen aufgetragen, nach Edgware zu fahren, wo es ihnen gelingen würde, in einen Zug zu kommen. Er blieb zurück, um die Nachbarn zu verständigen. Er hatte ihnen versprochen, sie etwa um halb fünf Uhr morgens einzuholen, und jetzt war es beinahe neun Uhr, und sie hatten seither nichts von ihm gesehen. Sie konnten wegen des fast beängstigend anwachsenden Gedränges nicht in Edgware bleiben, und so waren sie auf diesen Seitenweg gekommen.
Das war die Geschichte, die sie in abgebrochenen Sätzen meinem Bruder erzählten. Dann machten sie in der Nähe von New Barnet wieder halt. Mein Bruder aber versprach ihnen, so lange wenigstens bei ihnen zu bleiben, bis sie einen endgültigen Beschluß über ihre nächsten Schritte gefaßt hätten oder bis der vermißte Arzt sie getroffen hätte. Er versicherte ihnen, ein erfahrener Revolverschütze zu sein - er war alles eher als vertraut mit dieser Waffe -, um ihnen Vertrauen einzuflößen. Neben der Straße schlugen sie eine Art Lager auf, und das Pony tat sich bei der Hecke gütlich. Mein Bruder erzählte ihnen die Einzelheiten seiner Flucht aus London und überdies alles, was er von den Marsleuten und ihrem Treiben wußte. Die Sonne stieg höher am Himmel, und nach einiger Zeit stockte das Gespräch und wich einem unbehaglichen Zustand banger Erwartung. Einige Fußgänger kamen des Weges entlang, und aus ihnen brachte mein Bruder heraus, soviel er konnte. Jede gebrochene Antwort, die er erhielt, vertiefte seinen Eindruck von der schweren Heimsuchung, die über die Menschheit gekommen war, vertiefte auch seine Überzeugung von der zwingenden Notwendigkeit, die Flucht fortzusetzen. In dringenden Worten machte er das den Damen begreiflich.
"Wir haben Geld bei uns", sagte das Mädchen, und dann zögerte sie, fortzufahren. Ihre Augen begegneten denen meines Bruders, und ihr Vertrauen kehrte wieder.
"Auch ich habe Geld mit", sagte mein Bruder.
Sie erklärte nun, außer einer Fünfpfundnote ungefähr dreißig Pfund in Gold bei sich zu führen, und schlug vor, damit zu einem Zug bei St. Albans oder New Barnet zu gehen. Mein Bruder, der die Wut der Londoner, als sie die Züge stürmten, mit angesehen hatte, hielt dieses Vorhaben für hoffnungslos und setzte nun seinen Plan auseinander: Essex zu durchqueren und so nach Harwich zu gelangen, um von dort das Land überhaupt zu verlassen. Mrs. Elphinstone - so hieß die Dame in Weiß - wollte auf keine Ratschläge hören und rief unaufhörlich nach ihrem "George"; ihre Schwägerin aber war erstaunlich ruhig und vernünftig und schließlich bereit, dem Vorschlag meines Bruders zu folgen.
So schlugen sie also die Richtung nach Barnet ein, in der Absicht, die Great North Road zu kreuzen; mein Bruder lenkte das Pony, um es soviel als möglich zu schonen.
Als die Sonne höher stieg, wurde es unbeschreiblich heiß, und unter den Füßen brannte ein
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