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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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Erstarrung; er hob sie auf, sprach ein paar freundliche Worte zu ihr und trug sie zu Miss Elphinstone. Sobald mein Bruder sie berührte, wurde sie ganz still, wie erschreckt.
    "Ellen!" schrie eine Frau im Haufen mit weinender Stimme. "Ellen!" Und das Kind machte sich von meinem Bruder los und schoß, nach der Mutter rufend, davon.
    "Sie kommen", sagte ein Mann zu Pferd, der den Feldweg entlang ritt.
    "Aus dem Weg da!" brüllte ein Kutscher und richtete sich hoch auf, und mein Bruder sah einen geschlossenen Wagen in den Feldweg hereinfahren.
    Die Leute drängten, einer den andern pressend, zurück, um dem Pferd auszuweichen. Mein Bruder schob das Pony und den Wagen an die Hecke zurück, und der Mann fuhr vorbei, um an der Wegbiegung zu halten. Es war eine Kutsche mit einer Deichsel für zwei Pferde, aber nur eines war in den Strängen.
    Mein Bruder sah undeutlich durch den Staub hindurch, wie zwei Männer einen Gegenstand auf einer weißen Tragbahre heraushoben und ihn behutsam auf das Gras zwischen die Ligusterhecken legten. Einer der Männer eilte auf meinen Bruder zu,
    "Wo bekommt man hier etwas Wasser?" fragte er. "Er geht rasch seinem Ende entgegen und leidet heftigen Durst. Es ist Lord Garrick."
    "Lord Garrick!" rief mein Bruder, "der Präsident des Obersten Gerichtes?
    "Das Wasser!" rief der andere.
    "Vielleicht finden Sie in einem dieser Häuser eine Wasserleitung", sagte mein Bruder. "Wir haben kein Wasser. Und ich darf meine Begleiterinnen nicht verlassen."
    Der Mann drängte sich durch die Menge zu dem Tor des Eckhauses.
    "Vorwärts!" riefen die Leute, ihn zur Seite schiebend. "Sie kommen! Vorwärts!
    Mein Bruder war entsetzt und verwirrt. Sobald sie sich zurückgezogen hatten, kam es ihm wieder zum Bewußtsein, wie dringend und unvermeidlich es war, den Menschenstrom zu durchqueren. Ohne Verzug wandte er sich entschlossen an Miss Elphinstone.
    "Wir müssen diesen Weg einschlagen", sagte er und lenkte das Pony wieder herum.
    Zum zweiten Mal an diesem Tag legte das Mädchen eine Probe seiner Unerschrockenheit ab. Um eine Furt durch diesen Menschenstrom zu erzwingen, stürzte sich mein Bruder in das Getriebe hinein und hielt ein Droschkenpferd zurück, während sie das Pony an dessen Kopf vorbeilenkte. In diesem Augenblick hemmte ein Fuhrwerk sein Rad und riß einen langen Span von dem Ponywagen ab. Gleich darauf wurden sie von dem Strom erfaßt und vorwärtsgetrieben. Mein Bruder, auf dessen Gesicht und Händen die Peitsche des Kutschers rote Striemen hinterlassen hatte, kletterte in den Wagen zurück und nahm seiner Begleiterin die Zügel ab.
    "Richten Sie den Revolver auf den Mann hinter uns, wenn er zu heftig drängt", sagte er, ihr die Waffe reichend. "Nein! -Richten Sie ihn auf sein Pferd."
    Dann begann er nach einer Gelegenheit zu suchen, über die Straße hinweg nach rechts zu fahren. Aber einmal im Strom, schien er seine Willenskraft zu verlieren und ein Glied dieses staubigen Menschenrudels zu werden. Sie wurden von dem wilden Strom durch Chipping Barnet geschwemmt; sie befanden sich schon wieder eine Meile jenseits des Mittelpunktes der Stadt, bevor sie sich auf die andere Seite des Weges durchgekämpft hatten. Der Lärm, die Verwirrung waren unbeschreiblich. Aber in der Stadt und hinter ihr zweigte sich die Straße zu wiederholten Malen und spaltete so wenigstens den Andrang der Masse.
    Sie wandten sich nun östlich durch Hadley, und dort, wie auch später, stießen sie beiderseits der Straße auf eine beträchtliche Menge von Leuten, die aus dem Fluß tranken; manche mußten kämpfen, um zum Wasser zu gelangen. Etwas weiter auf einer Anhöhe in der Nähe von East Barnet bemerkten sie zwei Eisenbahnzüge, die langsam einer hinter dem andern ohne Signal, ohne Aufsicht dahinfuhren. Die Züge wimmelten von Leuten, selbst zwischen den Kohlen hinter der Maschine kauerten Menschen, die auf der Great Northern Railway nordwärts zu entkommen suchten. Mein Bruder vermutete, daß diese Züge sich erst außerhalb Londons mit Flüchtlingen gefüllt haben müßten, denn zu jener Zeit hatte der wütende Ansturm der Leute die Benutzung der Londoner Bahnhöfe unmöglich gemacht.
    In der Nähe von Hadley machte die Gesellschaft meines Bruders für den Rest des Nachmittags halt; die Schrecken des Tages hatten alle drei fast völlig erschöpft. Schon regte sich der erste Hunger; die Nacht begann kalt, und keiner von ihnen wagte zu schlafen. Am Abend eilten viele Leute die Straße an ihrem Rastplatz entlang, vor

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