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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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ungekannten Gefahren fliehend, die in Wahrheit noch vor ihnen lagen. Denn sie liefen in die Richtung, aus der mein Bruder gekommen war.
     

17. Die "Thunder Child"
     
    Hätten die Marsleute nur blindlings zerstören wollen, so hätten sie am Montag die gesamte Bevölkerung Londons vernichten können, wie sie sich langsam über die nächsten Grafschaften hin ausbreitete. Nicht nur durch Barnet, sondern auch durch Edgware und Waltham Abbey, und die ostwärts laufenden Straßen entlang nach Southend und Shoeburyness, und südlich von der Themse nach Deal und Broadstairs ergoß sich derselbe tobende Haufen. Wenn einer an jenem Junimorgen in einem Ballon in dem strahlenden Blau über London geschwebt hätte, dann hätte er jede Straße, die aus dem unendlichen Straßenknäuel nach Norden oder Osten führte, von dahinströmenden Flüchtlingen schwarz übersät erblickt, jeder Punkt eine menschliche Agonie von Schrecken und körperlichem Elend. Noch nie in der Geschichte der Welt hatte sich eine solche Masse menschlicher Wesen in Bewegung gesetzt, noch nie so gemeinsam dieselben Leiden ertragen. Die sagenhaften Scharen von Goten und Hunnen, die riesigsten Heere, die Asien je erblickt hatte, was wären sie anderes gewesen als Wellen dieses Stromes. Und das war kein disziplinierter Marsch; es war eine wilde Jagd, riesenhaft und schrekkensvoll, ohne Ordnung, ohne Ziel, sechs Millionen Menschen, die unbewaffnet und ohne Lebensmittel blindlings weitertrieben. Es war der Anfang vom Ende der Zivilisation, das Massaker des Menschengeschlechtes.
    Gerade unter sich hätte der Luftschiffer ein weithingesponnenes Netzwerk von Straßen gesehen, Häuser, Kirchen, Plätze, Gassen, Gärten, die, schon verödet, sich verteilten wie über eine ungeheure Landkarte, die im Süden verwischt und zerstört war.
    Es sah aus, als ob eine Riesenfeder über Ealing, Richmond und Wimbledon Tinte über die Karte gespritzt hätte. Stetig und unaufhaltsam wuchs jeder dieser Flecken; er breitete sich aus, sandte Rinnsale hierhin und dorthin, staute sich gegen Erhebungen des Bodens, ergoß sich dann wieder über abschüssiges Erdreich in neuentdeckte Täler, genauso, wie ein Strom von Tinte sich über Löschpapier verteilt. Und drüben, bei den blauen Hügeln, die sich südlich vom Fluß erheben, eilten die glitzernden Marsleute hin und her und legten ruhig und überlegen einmal über diesen, dann über jenen Landstrich ihre Giftwolken, die sie, sobald sie ihren Zweck erfüllt hatten, wieder mit ihren Dampfstrahlen erstickten. So ergriffen sie Besitz von dem besiegten Lande. Ihr Ziel schien nicht so sehr die Ausrottung als völlige Unterjochung und Erstickung jedes Widerstandes. Sie sprengten jede Pulveransammlung in die Luft, schnitten jede Telegrafenlinie ab und zerstörten, wo sie konnten, jede Eisenbahn. Sie schnitten die Sehnen der Menschheit durch. Sie schienen keine besondere Eile zu haben, ihr Arbeitsfeld auszudehnen, und gelangten an diesem Tag nicht über den Mittelpunkt von London hinaus. Es ist möglich, daß eine beträchtliche Anzahl Leute in London am Montag morgen in ihren Häusern blieb. Daß viele am schwarzen Rauch zu Hause erstickten, ist gewiß.
    Um die Mittagsstunde bot die Werft von London ein erstaunliches Schauspiel. Dampfboote und Schiffe aller Art, deren Eigentümer von den Flüchtlingen mit ungeheuren Geldsummen bestochen wurden, lagen in Bereitschaft; viele Menschen, welche an diese Fahrzeuge heranschwammen, sollen mit Bootshaken zurückgestoßen und ertränkt worden sein. Um ein Uhr nachmittags etwa wurde der verblassende Rest einer Wolke schwarzen Qualmes zwischen den Bogen der Blackfriars Bridge gesehen.
    Und nun wurde die Werft der Schauplatz einer wahnsinnigen Verwirrung, heißer Kämpfe und Zusammenstöße; eine Zeitlang waren zahllose Boote und Barken im nördlichen Bogen der Tower Bridge eingeklemmt; Seeleute und Löscharbeiter mußten wie Wilde gegen die Menge ankämpfen, die in hellen Haufen vom Ufer her andrängte. Die Leute kletterten tatsächlich die Brückenpfeiler hinab Als eine Stunde später ein Marsmann jenseits des Clock Tower auftauchte und den Fluß hinabwatete, trieben nur Schiffstrümmer an Limehouse vorüber.
    Über den Einfall des fünften Zylinders werde ich später berichten. Der sechste ging bei Wimbledon nieder. Mein Bruder hielt neben den im Wagen schlafenden Frauen auf einer Wiese Wache und sah seinen grünen Blitz weit drüben jenseits der Hügel. Am Dienstag strebte die kleine Gesellschaft,

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