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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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stetigen Verkümmerung liegen würde. Das Gehirn allein würde die Hauptnotwendigkeit bleiben. Nur noch ein Glied des menschlichen Körpers würde die übrigen überleben - und das sei die Hand, der "Lehrer und Lenker des Gehirns". Während der übrige Leib verkümmern und verschwinden würde, würden die Hände immer größer. In diesen Worten, wenngleich im Scherz niedergeschrieben, findet sich manches Wahre; und hier bei den Marsleuten ist ohne Widerrede solch eine Unterdrückung der animalischen Seite des Organismus durch den Geist zu beobachten. Es scheint mir ganz glaubwürdig, daß die Marsleute von Wesen abstammen mögen, die uns nicht unähnlich waren, und zwar durch die allmähliche Weiterentwicklung ihrer Gehirnteile und Hände (die letzteren nahmen endlich die Gestalt jener zwei Büschel zarter Fühlfäden an) auf Kosten des übrigen Körpers. Ohne den Leib mußte das Gehirn selbstverständlich ein bei weitem selbstsüchtigerer Geist werden als mit dieser Grundlage menschlichen Gefühls.
    Der dritte springende Punkt, in dem die Daseinsbedingungen jener Geschöpfe von den unseren abwichen, ist in einer Tatsache zu suchen, die manchem vielleicht eine sehr nebensächliche Besonderheit scheinen wird. Mikroorganismen, die so viel Krankheit und Schmerz auf Erden hervorrufen, haben sich auf dem Mars entweder nie gezeigt oder sind durch die hygienische Wissenschaft der Marsbewohner schon vor Zeiten ausgerottet worden. Unsere Fieberarten und ansteckenden Krankheiten, Auszehrung, Krebs, Tumor und ähnliche Leiden, drängen sich niemals, ihr Dasein hemmend, in ihr Leben. Und da ich schon von den Unterschieden zwischen dem Leben auf dem Mars und dem irdischen spreche, möchte ich hier auch auf die seltsamen Vermutungen in der Frage des "roten Gewächses" eingehen.
    Offenbar ist das Pflanzenreich auf dem Mars nicht vorwiegend grün, sondern stark blutrot gefärbt. Auf alle Fälle brachten die Samen, welche die Marsleute absichtlich oder zufällig mitführten, ohne Ausnahme rotfarbige Pflanzen hervor. Indessen konnte nur jene Pflanze, die im Volksmund als "rotes Kraut" bekannt wurde, neben den irdischen Arten Fuß fassen. Die rote Schlingpflanze besaß nur ein vorübergehendes Wachstum und nur wenige Leute haben sie gesehen. Eine Zeitlang jedoch wuchs das "rote Gewächs" mit erstaunlicher Kraft und Üppigkeit Es breitete sich über die Ränder der Grube am dritten oder vierten Tag unserer Gefangenschaft aus, und seine kaktusartigen Zweige legten sich wie Fransen um den Mauerrahmen unseres dreieckigen Fensters. Später fand ich es überall und ganz besonders dort, wo sich fließendes Wasser befand.
    Die Marsleute besaßen, wie gesagt, so etwas wie ein Ohr: eine einzige runde, trommelartige Fläche am Rücken ihres Kopf-Leibes, außerdem auch ein unserem vergleichbares Sehvermögen, nur daß, nach Philipps, die Farben Blau und Violett ihnen als schwarz erschienen. Man nimmt allgemein an, daß sie durch gewisse Laute und Bewegungen ihrer Fühler miteinander kommunizierten; dies wird zum Beispiel in jener richtigen, aber oberflächlichen Schrift behauptet (die offenbar von jemandem geschrieben ist, der kein Augenzeuge der Handlungen der Marsleute war); ich habe auf diese Schrift als die bisher verläßlichste Quelle für jene Ereignisse hingewiesen.
    Nun aber hat wohl kein überlebender Mensch so viel von den in Tätigkeit begriffenen Marsleuten gesehen wie ich. Ich bin weit entfernt, mich dieses Zufalls zu rühmen, aber es ist eine Tatsache. Und ich darf wohl behaupten, daß ich sie von Zeit zu Zeit scharf beobachtet habe und daß ich vier, fünf und einmal sechs von ihnen gesehen habe, wie sie mit äußerster Schwerfälligkeit die allerfeinsten und mühsamsten Arbeiten gemeinsam verrichteten, ohne jeden Laut, ohne jede Gebärde. Ihr eigentümliches Geheul ging ausnahmslos nur ihren Mahlzeiten voran. Es war durchaus eintönig und bedeutete, wie ich glaube, auf keinen Fall ein Signal, sondern einfach den Austritt von Luft, der den Vorgang der Bluteinführung einleitete. Ich kann einen gewissen Anspruch auf eine wenigstens oberflächliche Kenntnis von Psychologie erheben, und was diese Frage betrifft, so bin ich überzeugt - so fest wie man nur von einer Sache überzeugt sein kann - daß die Marsleute ohne jede physische Vermittlung ihre Gedanken austauschen. Davon bin ich trotz einer starken Voreingenommenheit überzeugt.. Vor dem Einfall der Marsleute habe ich nämlich, woran sich mancher Leser ,vielleicht erinnern wird,

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