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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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Durch die Maueröffnung konnte ich den von der Sonne vergoldeten Wipfel eines Baumes und das warme Blau eines friedlichen Abendhimmels sehen. Eine Minute etwa blieb ich stehen und beobachtete den Kuraten, dann schritt ich gebückt weiter und bemühte mich, mit äußerster Behutsamkeit durch die Scherben zugehen, die den Boden bedeckten.
    Ich berührte das Bein des Kuraten, und er schreckte so heftig zurück, daß sich draußen ein Haufen Mörtel löste und mit lautem Getöse zu Boden fiel. Aus Furcht, er könnte schreien, packte ich seinen Arm und lange Zeit kauerten wir bewegungslos nebeneinander. Dann wandte ich mich, um zu sehen, wieviel noch von unserer Festung stehengeblieben war. An der Bruchstelle des Mörtels hatte sich ein senkrechter Spalt in der zerstörten Mauer gebildet, und indem ich mich vorsichtig über einen Balken beugte, konnte ich von dieser Lücke aus erblicken, was vorige Nacht noch eine stille Vorstadtstraße gewesen war. Die Veränderung war in der Tat erstaunlich.
    Der fünfte Zylinder muß mitten in das Haus hinein gefahren sein, das wir zuerst betreten hatten. Das Gebäude war verschwunden, vollkommen zerschmettert, durch die Wucht des Stoßes zermalmt und zerstoben. Der Zylinder lag nun weit unter den ursprünglichen Grundmauern, tief in einem Krater, der noch unendlich größer war, als die Grube, in die ich bei Woking hineingeblickt hatte. Die Erde rings um den Zylinder war bei der ungeheuren Wucht des Aufpralls aufgespritzt wie Lehm unter dem Schlag eines mächtigen Hammers, und die aufgetürmten Haufen hatten die Nachbarhäuser verschüttet. Unser Haus war nach rückwärts eingesunken, sein vorderer Teil, selbst im Erdgeschoß, war vollständig zerstört; durch einen Zufall blieben Küche und Waschküche unversehrt, Jagen aber unter dem Boden und unter den Trümmern begraben, auf allen Seiten, außer der dem Zylinder zugewandten, von Erdmassen bedeckt. Wir hingen dicht am Rand der großen, kreisrunden Grube, die zu erweitern die Marsleute eifrig beschäftigt waren. Das heftig stoßende Geräusch war offenbar hart neben uns, und dann und wann zog ein glänzender, grüner Dampf wie ein Schleier über unser Guckloch hin aufwärts.
    Im Mittelpunkt der Grube war der schon geöffnete Zylinder, und am anderen Ende, mitten in einem zerrissenen und mit Kies bedeckten Gebüsch stand eine der großen Kriegsmaschinen Sie war von ihrem Lenker verlassen und hob sich starr und hoch vom Abendhimmel ab. Anfangs bemerkte ich die Grube und den Zylinder kaum (ich hielt es nur für gut, sie zuerst zu beschreiben). Mein Blick wurde besonders durch die ungewöhnlich glitzernden, mit der Entleerung beschäftigten Mechanismen und durch die seltsamen Geschöpfe gefesselt, die langsam und schwerfällig über die Lehmhaufen krochen.
    Die mechanischen Werkzeuge waren es, die meine Aufmerksamkeit zunächst in Beschlag nahmen. Das Werkzeug, das ich jetzt sah, war eines jener komplizierten Erzeugnisse, die man seither Greifmaschinen genannt hat und deren Studium zu einem ungeheuren Ansporn für die irdische Erfindungskraft geworden ist. Als es mir zuerst zu Gesicht kam, machte es den Eindruck einer metallenen Spinne mit fünf gegliederten und leicht beweglichen Beinen, mit einer außergewöhnlichen Anzahl zusammengefügter Hebel und Riegel und mit greifenden Fühlern an seinem Körper. Die meisten Arme der Maschine waren eingezogen, aber mit drei langen Fühlern fischte sie eine Anzahl Stäbe, Platten und Riegel heraus, die offenbar die Innenwände des Zylinders verstärkt hatten. Sobald die Maschine diese Gegenstände herausgehoben hatte, legte sie alle auf eine mit dem Erdboden gleichlaufende Fläche hinter ihr.
    Ihre Bewegungen waren so schnell, so gut ineinandergreifend, so vollkommen, daß ich sie trotz ihres metallischen Gefunkels gar nicht für eine Maschine hielt. Die Kriegsmaschinen waren zusammengesetzt und bis zu einem außergewöhnlichen Grade belebt worden, aber mit dieser Maschine können sie nicht verglichen werden. Leute, die ihr Gefüge nie gesehen haben, oder die keinen andern Vorstellungsbehelf besitzen als die mangelhaften Skizzen von Malern oder die unvollkommene Beschreibung von Augenzeugen, wie ich es bin, können sich nur schwer ein Bild jenes Organismus machen.
    Ich entsinne mich besonders einer der ersten Schriften, die eine zusammenhängende Darstellung des Krieges enthielten. Der Zeichner hatte einen flüchtigen Umriß von einer der Kriegsmaschinen gemacht und damit hörten seine

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