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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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verloren wir wieder das Gefühl der Gefahr, erblickt zu werden; denn einem Auge im blendenden Sonnenlicht mußte unser Versteck als tiefschwarze Nacht erscheinen So schrecklich die Gefahren waren, die rings um uns lauerten, die Versuchung, durch die Mauerspalte zu blicken, war unwiderstehlich. Und es nimmt mich beute wunder, wenn ich mich erinnere" wie wir trotz der drohenden Aussicht entweder zu verhungern oder noch grauenvoller umzukommen, heftig miteinander um das schreckliche Vorrecht, hinausbücken zu dürfen, streiten konnten. Wir konnten um die Wette durch die Küche laufen, in einem ganz abenteuerlichen Laufschritt, der zwischen Eifer und der Furcht, Lärm zu machen, die Mitte hielt, wir konnten uns schlagen, mit Fäusten und Füßen stoßen - und das alles nur durch einige Zollbreit vor Entdeckung gesichert.
    Tatsache ist, daß wir beide ganz unvereinbare Veranlagungen und Gewohnheiten im Denken und Handeln hatten, und daß die Gefahr und unsere Einschließung diese Unvereinbarkeit nur verschärften. Schon in Halliford war mir des Kuraten alberne Art, in tatenlose Klagen auszubrechen, die blödsinnige Verbohrtheit seines Charakters verhaßt geworden. Seine endlosen, im Murmeltone gesprochenen Selbstgespräche machten jede Mühe, die ich mir gab, einen Fluchtplan zu entwerfen, zunichte und trieben mich, durch die Gefangenschaft doppelt gereizt, wie ich war, manchmal an den Rand des Wahnsinns. Wie ein hysterisches Weib war er unfähig, sich den geringsten Zwang anzutun. Er konnte stundenlang vor sich hinweinen, und ich glaube wahrhaftig, daß dieses vom Schicksal verzogene Kind seine elenden Tränen für irgendwie wirksam hielt. Und ich saß in der Finsternis, durch seine Zudringlichkeiten außerstande, meine Gedanken von ihm abzulenken Er aß mehr als ich. Und es war ganz vergeblich, ihm begreiflich zu machen, daß die einzige Überlebenschance darin lag, so lange in diesem Hause zu bleiben, bis die Marsleute mit ihrer Grube fertig geworden wären; es war vergeblich, ihn zu warnen, daß während dieser langen Geduldsprobe wohl eine Zeit kommen könne, in der wir dringend der Nahrung bedürfen würden. Er aß und trank, wann es ihm gerade behagte, in sehr ausgiebigen Mahlzeiten, wenn auch in langen Zwischenräumen. Er schlief wenig.
    Als die Tage kamen und gingen, verschärften seine ganz unglaubliche Sorglosigkeit und seine Rücksichtslosigkeit unsere Notlage derart, daß ich, sosehr ich es auch verabscheute, erst zu Drohungen, endlich zu Schlägen meine Zuflucht nehmen mußte. Das brachte ihn eine Zeitlang zu Vernunft. Aber er gehörte zu jenen von Tücke und Verschlagenheit erfüllten Schwächlingen, die ohne jeden Stolz, feige, fischblütig und gehässig, nicht Gott, nicht den Menschen, nicht einmal sich selbst Rechenschaft geben können.
    Es ist mir unangenehm, mir alle diese Dinge wieder ins Gedächtnis zurückzurufen und sie niederzuschreiben, aber ich muß es der Lückenlosigkeit meines Berichtes halber tun. Jene, welche von den düstern und furchtbaren Seiten des Lebens verschont geblieben sind, werden schnell genug bei der Hand sein, meine Gewalttätigkeit und meine Wutausbrüche am Ende unseres Trauerspieles zu verdammen; denn sie wissen besser als jedermann, was tadelnswert ist, aber nicht, was ein gefolterter Mensch zu tun fähig ist. Jene aber, die "gewandert sind im dunklen Tal" und bis zum Elementaren hinabgestiegen, werden mehr Verständnis haben. Und während wir drinnen unsern düstern, schattenhaften Kampf ausfochten, unter Schlägen, flüsternd und mit geballten Fäusten um Speise und Trank kämpften, waren draußen im unbarmherzigen Sonnenbrand jenes schreckensvollen Juni die Marsleute bei ihrer seltsam fremden Arbeit in der Grube. Man erlaube mir, zu diesen neuen Erlebnissen zurückzukehren. Nach langer Zeit wagte ich mich wieder an das Guckloch und sah, daß die Besatzung von nicht weniger als drei Kriegsmaschinen zu den Eindringlingen gestoßen war. Sie hatten wieder eine Anzahl neuer Werkzeuge mitgebracht, die wohlgeordnet um den Zylinder herumstanden. Die zweite Greifmaschine war jetzt fertig und eifrig damit beschäftigt, eine jener neuartigen Erfindungen zu bedienen, welche die große Maschine mitgebracht hatte. Das neue Werkzeug glich in seinen Umrissen einer Milchkanne, über der ein schwingender, birnenförmiger Behälter angebracht war, von dem ein Strom weißen Pulvers sich in ein kreisrundes Bekken ergoß. Die schwingende Bewegung des Behälters wurde von einem Taster der

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