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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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tief unter mir auf dem Sand hin- und herlief, dann wieder Geräusche, die von Vögeln herrührten, aber da war alles. Endlich, ermutigt durch die anhaltende Stille, blickte ich hinaus. Außer in der Ecke, wo eine Menge von Krähen umherhüpften und sich um die Gerippe der Toten zankten, von welchen die Marsleute sich ernährt hatten, war kein lebendes Wesen in der Grube zu sehen.
    Ich starrte hinein und traute meinen Augen kaum. Sämtliche Maschinen waren verschwunden. Abgesehen von dem großen Hügel gräulichblauen Pulvers in einer Ecke, einer Anzahl Aluminiumstangen in einer andern, den schwarzen Vögeln und den Skeletten, gab es nichts als die leere, kreisrunde Sandgrube.
    Ich ließ mich langsam durch das rote Gestrüpp hinabgleiten und stand jetzt auf dem Schutthaufen. Außer hinter mich nach Norden, konnte ich in jede Richtung blicken. Und weit und breit war weder ein Marsmann noch das Anzeichen eines Marsmannes zu erblicken. Zu meinen Füßen fiel die Grube jäh ab; als ich etwas weiter ging, fand ich auf dem Geröll einen ganz leidlichen Weg, auf dem 3ich zum Gipfel des Trümmerhaufens gelangen konnte. Die Gelegenheit zu fliehen war gekommen. Ich begann zu zittern.
    Ich zögerte einige Zeit, und in einer wilden Aufwallung von verzweifelter Entschlossenheit, mit heftig klopfendem Herzen, kletterte ich auf die Spitze des Schutthaufens, unter dem ich so lange begraben gewesen war.
    Wieder blickte ich rings um mich. Auch im Norden war kein Marsmann zu sehen. Als ich zuletzt diesen Teil von Sheen im vollen Tageslicht gesehen hatte, war er eine Straße zerstreut liegender und behaglicher weißer und roter Häuser gewesen, umpflanzt von üppigen, schattigen Bäumen. Jetzt stand ich auf einem Haufen aus zerschelltem Ziegelwerk, Lehm und Kiesel, über dem eine Unmenge roten kaktusartigen Gewächses wucherte. Es wuchs in Kniehöhe, und nicht eine einzige irdische Pflanze machte ihm den Boden streitig. Die Bäume in meiner Nähe waren erstorben und braun, und etwas weiter überzog ein Netzwerk roter Fäden die noch lebenden Stämme.
    Die benachbarten Häuser waren alle zerstört, keines aber war niedergebrannt. Die Mauern standen zum Teil noch bis zum zweiten Stockwerk, aber die Fenster waren alle zerschmettert und die Tore zertrümmert. Das rote Gewächs wucherte üppig in den dachlosen Stuben. Unter mir waren die große Grube und die Krähen, die um die Abfälle zankten. Andere Vögel hüpften zwischen den Trümmern umher. Weiter weg sah ich eine ausgemergelte Katze, die eine Mauer entlang schlich, von Menschen aber war nirgends eine Spur zu entdecken.
    Der Tag schien im Gegensatz zu meinem eben verlassenen Kerker blendend hell, der Himmel strahlte in ungetrübtem Blau. Ein sanftes Lüftchen hielt das rote Gewächs, das jedes Stückchen freien Bodens bedeckte, in Bewegung. Und welches Entzücken, wieder frische Luft zu atmen!
     

6. Das Werk von fünfzehn Tagen
     
    Eine Zeitlang stand ich wankend auf dem Hügel, ohne an meine Sicherheit zu denken. Als ich noch in jener widerwärtigen Höhle lag, hatte ich alle Sinne nur darauf gerichtet, mich überhaupt zu retten.
    Ich ahnte weder, was in der Stadt vorgegangen war, noch war ich auf den erschreckenden Anblick dieser fremden Umgebung gefaßt. Ich war darauf vorbereitet, Sheen in Trümmern zu sehen - aber was ich Jetzt sah, war die unheimliche und düstere Landschaft eines andern Planeten. In diesem Augenblicke wurde ich von einer Empfindung bewegt, die sonst außerhalb des menschlichen Bewußtseins liegt, die aber die armen Tiere, die wir beherrschen, nur zu gut kennen. Mir war zumute wie einem Kaninchen, das zu seinem Erdloch zurückkommt und sich plötzlich einem Dutzend geschäftiger Arbeiter gegenübersieht, die den Grund zu einem Haus graben. Ich merkte die ersten Anzeichen eines Gefühls, das mir bald sehr deutlich werden und mich viele Tage lang bedrücken sollte: das Gefühl der Entthronung, die Überzeugung, daß ich nicht länger ein Herr, sondern ein Tier unter Tieren unter der Ferse der Marsleute sei. Uns würde es nun gehen wie jenen: wir mußten jetzt lauern und spähen, laufen und uns verstecken; die Macht des Menschen und seine Furchtbarkeit waren ihm genommen.
    Aber diese Vorstellung verlor sich, sobald ich sie mir klargemacht hatte, und mein alles beherrschendes Gefühl wurde nach der langen, trostlosen Fastenzeit der Hunger. In der Richtung, die von der Grube wegführte, erblickte ich jenseits einer rotbewachsenen Mauer ein Flecken Gartengrund, das

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