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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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Küche erreicht.
    "Ich muß mein Zeugnis ablegen. Ich gehe. Zu lange schon habe ich gezögert. "
    Ich streckte meine Hand aus und tastete nach dem Hackmesser, das an der Wand hing. Wie ein Pfeil schoß ich dem Kuraten nach. Ich war ganz toll vor Angst. Ehe er in der Mitte der Küche war, hatte ich ihn eingeholt. Mit einem letzten Funken von Menschlichkeit drehte ich die Schneide um und schlug mit dem Rücken des Messers nach ihm. Er stürzte kopfüber hin und lag ausgestreckt am Boden. Ich stolperte über ihn und blieb atemlos stehen. Er lag ganz still da. Plötzlich hörte ich draußen ein Geräusch, das Rieseln und Stürzen gleitenden Mörtels, und die dreieckige Öffnung in der Mauer verdunkelte sich. Ich blickte auf und sah, wie die untere Fläche einer Greifmaschine sich langsam am Loch vorbeischob. Eines ihrer ausgreifenden Glieder rollte sich im Schutt zusammen; nun erschien ein zweites Glied, das sich seinen Weg über die herabgestürzten Balken hin tastete. Ich starrte wie versteinert hin. Da sah ich durch eine Art Glasplatte das Gesicht, wenn ich so sagen darf, und die großen dunklen Augen eines Marsmannes hereinspähen, und dann ringelte sich die lange metallene Schlange eines Fühlers wir prüfend durch das Loch herein.
    Von diesem Anblick riß ich mich mit einiger Überwindung los, stolperte über den Kuraten und blieb an der Tür zur Waschküche stehen. Der Fühler war jetzt schon etwa zwei Yards oder mehr im Zimmer und fuhr züngelnd und schlängelnd in blitzschnellen Bewegungen hierhin und dorthin. Eine Zeitlang beobachtete ich wie gebannt sein allmähliches, eigenartiges Näherkommen. Endlich zwang ich mich mit einem leisen, heiseren Schrei, in die Waschküche zu laufen. Ich zitterte heftig; ich konnte mich kaum aufrecht halten. Ich öffnete die Tür des Kohlenkellers und stand da in der Finsternis, starrte nach der schwach beleuchteten Türe, die in die Küche führte, und lauschte. Hatte der Marsmann mich gesehen? Und was würde er jetzt tun?
    Etwas bewegte sich dort sehr leise hin und her; jeden Augenblick tappte es gegen die Mauer oder setzte seine Bewegungen mit einem schwachen, metallischen Klirren, ähnlich dem Geräusche eines Schlüsselbundes, fort. Dann wurde ein schwerer Körper - nur zu gut wußte ich, welcher - über den Fußboden geschleift und zur Öffnung hinausgehoben. Unwiderstehlich angezogen, kroch ich zur Tür und spähte in die Küche. In dem von der Sonne hell beschienenen Dreieck sah ich den Marsmann, wie er in der Greifmaschine, einem wahrhaften Briareus (Briareus, der hundertarmige Titan der griechischen Göttersage), saß und den Kopf des Kuraten untersuchte. Ich zweifelte keinen Augenblick, daß er aus der Wunde, die mein Schlag jenem beigebracht hatte, auf meine Anwesenheit schließen würde.
    Ich kroch zum Kohlenkeller zurück, schloß die Tür und begann, so gut ich konnte, und so leise, wie es mir bei der Dunkelheit möglich war, mich unter das Brennholz und die Kohlen zu verstecken. Jeden Augenblick horchte ich, starr vor Angst, ob der Marsmann seinen Fühler wieder durch die Öffnung gesteckt hätte.
    Und das leise metallische Klirren ertönte von neuem. Ich konnte verfolgen, wie es sich allmählich durch die Küche durchtastete. Bald hörte ich es näher - in der Waschküche, wie ich vermutete. Ich hoffte" daß es nicht lang genug sei, bis zu mir zu dringen. Ich sprach ein Stoßgebet nach dem andern, Da tastete das Ding unter leisem Kratzen über die Kellertür; und nun kam eine Ewigkeit von unerträglicher, banger Erwartung. Dann hörte ich es am Schloß herumfühlen. Es hatte die Türe gefunden! Der Marsmann verstand sich auf Türen!
    Eine Minute vielleicht hantierte es am Verschluß, und dann ging die Türe auf. In der Dunkelheit konnte ich das Ding gerade noch sehen mehr als allem andern glich es einem Elefantenrüssel - es züngelte nach mir und tastete prüfend an der Mauer, an den Kohlen, am Holz und an der Decke umher. Es sah aus wie ein schwarzer Wurm, der seinen blinden Kopf hin- und herbewegt.
    Und einmal berührte es die Ferse meines Stiefels. Ich war nahe daran zu schreien; ich biß mir in die Hand. Eine Zeitlang blieb es ruhig. Ich hätte glauben können, daß es sich schon entfernt habe. Plötzlich aber, mit einem unvermuteten Vorstoß, griff es nach etwas - ich dachte zuerst, nach mir! - und schien wieder aus dem Keller hinauszugleiten. Eine Minute lang war ich meiner Sache nicht sicher. Offenbar hatte es ein Stück Kohle erfaßt, um es zu

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