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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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prüfen.
    Ich benutzte die Gelegenheit, um meine Lage ein wenig zu verändern, denn ich hatte einen Krampf in den Füßen. Dann lauschte ich wieder und flüsterte heiße Gebete. Dann hörte ich das langsame, bedächtige Geräusch wieder. Mehlig und leise kam es dicht an mich heran und tappte die Mauer und die Einrichtungsstücke entlang.
    Während ich noch zweifelte, sprang es rasch zur Kellertür und schloß sie. Ich hörte, wie es in die Speisekammer schlich. Die Zwiebackdosen klirrten, und eine Flasche brach in Stücke. Dann kam ein heftiger Schlag gegen die Kellertür. Dann war es still -und die Stille wurde mir eine nicht enden wollende Zeit höchster Anspannung. War es fort? Endlich war ich davon überzeugt.
    Es kam nicht mehr in die Waschküche; aber den ganzen zehnten Tag lag ich in der stickigen Dunkelheit unter Kohlen und Brennholz vergraben, und wagte nicht, mir einen Trunk zu holen, nach dem ich lechzte. Schon war der elfte Tag angebrochen, als ich mich erst aus meinem Schlupfwinkel hervorwagte.
     

5. Die Stille
     
    Meine erste Handlung, bevor ich in die Speisekammer ging, war, die Türe zwischen Küche und Waschküche zu schließen. Doch die Speisekammer war leer; jeder Bissen. Essen war verschwunden. Offenbar hatte der Marsmann am vorhergehenden Tag alles fortgenommen. Bei dieser Entdeckung erfaßte mich zum ersten Male die Verzweiflung. Weder am elften noch am zwölften Tage genoß ich Speise und Trank.
    Erst trockneten mir Mund und Kehle völlig aus, und meine Kräfte nahmen merklich ab. Ich saß hilflos in der Dunkelheit in einem Zustand mutlosen Elends. Meine Gedanken beschäftigten sich unausgesetzt mit dem Essen. Ich glaubte taub geworden zu sein, denn die geschäftigen Geräusche, die ich von der Grube her zu hören gewohnt war, hatten vollständig aufgehört. Ich fühlte mich nicht stark genug, um geräuschlos zum Guckloch zu kriechen; ich hätte es sonst gewiß getan. Am zwölften Tage schmerzte mich mein Hals derart, daß ich, selbst auf die Gefahr hin, die Aufmerksamkeit der Marsleute auf mich zu lenken, mich auf die knarrende Regenwasserpumpe stürzte, die neben der Senkgrube stand, und mir ein paar Glas voll geschwärzten und schmutzigen Regenwassers verschaffte. Ich fühlte mich nun überaus erfrischt und durch die Tatsache ermutigt, daß kein suchender Fühler dem Geräusch folgte, das ich beim Pumpen machte. Während dieser Tage mußte ich viel an den Kuraten und an die Art seines Todes denken; aber meine Gedanken waren unklar und hatten nur wenig Zusammenhang.
    Am dreizehnten Tage trank ich wieder etwas Wasser und machte mir abenteuerliche Gedanken über Essen und alle möglichen und unmöglichen Fluchtpläne. Sooft ich einschlief, quälten mich furchtbare Wahnvorstellungen, einmal vom Tode des Kuraten, dann wieder von üppigen Gelagen.
    Aber wachend und schlafend empfand ich einen heftigen Schmerz, der mich zwang, immer wieder zu trinken. Das Licht, das jetzt in den Waschraum drang, war nicht mehr grau, sondern rot. Meiner verwirrten Einbildungskraft schien es die Farbe des Blutes.
    Am vierzehnten Tage ging ich in die Küche und sah zu meiner Überraschung, daß die Zweige des roten Gewächses gerade über die Maueröffnung gewachsen waren und so das Dämmerlicht des Raumes in eine karmesinrote Finsternis verwandelt hatten.
    Frühmorgens am fünfzehnten Tage hörte ich eine seltsame, aber vertraute Aufeinanderfolge von Lauten in der Küche, und aufhorchend erkannte ich das Schnüffeln und Scharren eines Hundes. Als ich in die Küche ging, sah ich die Nase eines Hundes, wie sie an einer Mauerlücke durch die rötlichen Zweige hereinschnüffelte. Das überraschte mich außerordentlich. Als der Hund mich witterte, bellte er kurz auf.
    Wenn ich ihn bewegen könnte, leise hereinzukommen, so konnte ich ihn vielleicht töten und verzehren. Auf alle Fälle aber war es geraten, ihn umzubringen, damit seine Bewegungen nicht die Aufmerksamkeit der Marsleute auf mich ziehen könnten.
    Ich schlich mich zu ihm und rief ihn schmeichelnd, aber er zog auf der Stelle seinen Kopf zurück und verschwand.
    Ich lauschte - ich war also nicht taub - aber da war kein Zweifel möglich, die Grube war still. Ich vernahm Laute wie das Flattern von Vogelschwingen und ein heiseres Krächzen, und das war alles. Lange Zeit lag ich dicht am Guckloch, aber ich wagte nicht, die roten Pflanzen zur Seite zu drängen, die es verdunkelten. Ein- oder zweimal hörte ich ein leises Getrippel von den Füßen des Hundes, der

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