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Der Krieg der Welten

Der Krieg der Welten

Titel: Der Krieg der Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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Dunkelheit überkommt, bestand ich mein Verhör, mein einziges Verhör wegen jenes Augenblickes der Wut und der Angst. Ich rief mir jedes Wort unserer Unterredung ins Gedächtnis zurück. Von jenem Augenblick an, als ich ihn zusammengekauert neben mir fand, als er, meines Durstes nicht achtend, nach dem Feuer und dem Rauch wies, der aus den Trümmern von Weybridge aufstieg, waren wir zur Zusammenarbeit unfähig gewesen - der grimmige Zufall aber hatte sich nicht darum gekümmert. Hätte ich in die Zukunft blicken können, hätte ich ihn in Halliford gelassen! Aber ich konnte nicht vorhersehen, was kam. Verbrechen aber ist, vorhersehen und doch tun. Und ich schreibe das nieder, wie ich diese ganze Geschichte niedergeschrieben habe, so wie sie war. Ich hatte keine Zeugen -ich hätte alle diese Dinge verheimlichen können. Aber ich schreibe sie nieder, und der Leser mag sich nach seinem Gutdünken sein Urteil bilden.
    Als ich mich dann aufraffte, um das Bild jenes hingestreckten Körpers beiseite zu schieben, sah ich mich wieder vor den Fragen nach den Marsleuten und dem Schicksal meiner Frau. Für beides hatte ich keine Anhaltspunkte; ich konnte mir hundert verschiedene Vorstellungen machen, sowohl über die Marsleute, als, unselig genug, auch über meine Frau. Und plötzlich wurde mir diese Nacht zu einer Nacht des Schreckens. Ich fand mich aufrecht in meinem Bett und starrte in die Finsternis hinein. Ich hörte mich beten, daß der Hitzestrahl sie unvermutet und schmerzlos aus diesem Leben nehme. Seit jener Nacht meiner Rückkehr aus Leatherhead hatte ich nicht mehr gebetet. Ich hatte Stoßgebete gestammelt, Fetischgebete, hatte gebetet, wie Heiden Beschwörungszauberformeln murmeln, als ich in äußerster Gefahr schwebte. Jetzt aber betete ich wirklich, inbrünstig und bei voller Besinnung, flehte von Angesicht zu Angesicht in der Dunkelheit Gottes. Seltsame Nacht! Am seltsamsten darin, daß, sobald der Tag herangraute, ich, der mit Gott gesprochen hatte, aus dem Hause schlich wie eine Ratte, die ihr Versteck verläßt - ein Geschöpf, kaum größer als sie, ein niedriges Tier, ein Ding, das die flüchtige Laune unserer Meister jagen und töten konnte. Vielleicht beteten auch jene vertrauensvoll z Gott. Wahrlich, wenn wir nichts anderes gelernt haben, dieser Krieg hat uns Erbarmen gelehrt, Erbarmen mit jenen vernunftlosen Geschöpfen, die unter unserer Herrschaft leiden.
    Der Morgen war hell und schön; der östliche Himmel glühte rosenrot und war mit kleinen goldenen Wolken übersät. Auf der Straße, die vom Putney Hill nach Wimbledon führt, sah ich zahlreiche jammervolle Spuren jenes Sturmes von Angst, der in der Sonntagnacht nach Beginn des Krieges in Richtung London gebraust war. Ich sah einen kleinen zweirädrigen Karren, auf dem der Name "Thomas Lobb, Grünzeughändler, New Malden" stand, mit einem zertrümmerten Rad und einem im Stiche gelassenen Blechkoffer. Dann sah ich einen Strohhut, der in den schon hartgewordenen Straßenschmutz hineingestampft worden war, und auf der Spitze des West Hill blutbeschmierte Glasscherben neben dem umgestürzten Wassertrog. Ich ging nur langsam weiter, und meine Pläne waren völlig unklar. Ich hatte die etwas unbestimmte Absicht, nach Leatherhead zu gehen, obwohl ich wußte, daß ich gerade dort am wenigsten hoffen konnte, meine Frau wiederzufinden. Wenn nicht der Tod sie dort unversehens ereilt hatte, waren meine Verwandten gewiß schon längst mit ihr geflohen. Aber ich redete mir ein, daß ich dort wenigstens sehen oder erfahren könnte" wohin die Bevölkerung von Surrey geflohen sei. Ich wußte, daß ich meine Frau wiederfinden wollte, daß ich eine schmerzliche Sehnsucht nach ihr und nach Menschen empfand, aber ich hatte keine klare Vorstellung, wie ich es anfangen sollte, sie zu finden. Auch meiner trostlosen Vereinsamung war ich mir jetzt deutlich bewußt. Unter dem Schutz eines Dikkichts von Bäumen und Buschwerk kam ich allmählich an den Rand der Gemeindewiese von Wimbledon, die sich nun weit vor mir erstreckte. Diese dunkle Fläche war stellenweise von gelben Ginstersträuchern erhellt; das rote Gewächs war nirgends zu sehen; als ich zögernd am Rande dieser freien Stelle hinschlich, ging die Sonne auf, und nun flutete alles von Licht und Leben. Ich stieß auf ein geschäftiges Volk kleiner Frösche, die auf einem sumpfigen Platz unter den Bäumen umhersprangen. Ich stand still, um sie zu betrachten, und nahm mir eine Lehre an ihrem kräftigen Entschluß zu

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