Der Krieg der Welten
auch schon vor Wells. Und es ist ja durchaus irdisch: Haie, Krokodile oder der Kannibalismus haben dieses Schreckbild dem Bewußtsein des Menschen schon lange eingeprägt. Allerdings hat Wells dieses Bild vom bloßen Betriebsunfall des Lebens auf ein soziales Niveau gehoben, wo es zur unabänderlichen Lebenskonstante wird: Opferdasein, Versklavung oder Ausrottung sind seitens der neuen Herrscher beabsichtigt und unwiderruflich. Diese Endgültigkeit ist damit nicht nur soziale Perspektive für den Rest des Lebens (falls es das wenigstens noch gibt), sondern auch bildkräftig genug, um von den optischen Medien ausgeschlachtet zu werden: von der Unterdrückung der "Masse Mensch" bis zum Verspeisen durch den "Weißen Hai" sind derartige Bilder zu Vorreitern der optischen Trivialkunst geworden, und die technischen Möglichkeiten, mit denen in den letzten Jahrzehnten Science-Fiction- und Horrorfilme produziert wurden, hat das bei Wells fast verschämt und eher widerwillig Angedeutete - viktorianische Zensurschere im Kopf des Erzählers - auf die Breitwand geknallt, jegliche Reflexion darüber, was da wirklich passiert, verschüttend und durch neue Bilder aus den Köpfen herausfegend.
Ist es also gerechtfertigt, Herbert George Wells als Vorläufer oder gar Initiator kriegerischer Trivialmythen zu sehen? Ja und Nein. Man könnte ihm durchaus vorwerfen, er sei mit der Bildlichkeit seiner Gesichte etwas sorglos umgegangen. Mußten die grauenvollen Monster in Krakengestalt nicht das Mißverständnis geradezu provozieren? Und es ist auch merkwürdig, daß während des ganzen Romans nicht einmal der Versuch einer rationalen Kontaktaufnahme erfolgt. Denn der vom Autor selbst fast lächerlich gemachte Versuch des Häufleins mit der weißen Fahne kann ja wohl kaum als ein solcher ernsthafter Kontaktversuch gelten.
Doch was im Zeitalter der laufenden Bilder aus dem ,,Krieg der Welten" gemacht wurde, ist nur zum Teil den Ideen Wells zuzuschreiben. Es ist die Tatsache der Visualisierung unseres gesamten kulturellen und ideologischen Zustandes, deren vielfältige Ursachen hier nicht zu diskutieren sind, die aber das Bilderangebot des Wells'schen Romans begierig aufgreifen konnte. Die lmaginationskraft von Wells wurde ins Unermeßliche gesteigert, gleichsam zu sich selbst gebracht, zum Höhepunkt ihrer eigenen Kraft - und kippte in ihr Gegenteil um: die literarisch-philosophische Grundlage blieb auf der Strecke.
Was den ,,Krieg der Welten" von Herbert George Wells betrifft, so ist es nach den verschiedenen optischen und akustischen Reproduktionen dieses Kunstwerkes und seiner Nachfolgestücke durchaus sinnvoll, den Text wieder einmal im Original zu lesen. Wells Appell an die Barmherzigkeit gegenüber den Tieren als irdischen Mitbewohnern, sein Tonfall milder Vergebung im Angesicht der grauenvoll und wehrlos verendenden Marsianer, seine bewegenden Schilderungen einer sich nach dem Todessturm wieder regenerierenden Natur - sie klingen uns heute aktuell in den Ohren. Eine Menschheit in idealer Harmonie mit Tieren und Pflanzen bis hin zu "unseren mikroskopischen Verbündeten", den Bakterien, konnte den Angriff der "Marsianer" -"Köpfe, nichts als Köpfe", im Grunde menschliche Köpfe, ideologisch verblendete und versteinerte Machtfiguren - überstehen. Ob sie es ohne diese von Wells postulierte Harmonie schaffen könnte, ist eine Frage, die nicht literarisch oder in visuellen Medien zu beantworten ist, sondern nur durch die Schaffung menschenwürdiger Lebensbedingungen auf diesem Planeten. Zu dieser Ausgabe:
Ein weiterer literarischer Leckerbissen für Freunde von H. G. Wells wie auch von Sherlock Holmes ist die ebenfalls abgedruckte Kurzgeschichte von Manly W. und Wade Weinbaum "Sherlock Holmes kontra Mars", die die literarischen Universen von H.G. Wells und Arthur Conan Doyle, dem Schöpfer von Sherlock Holmes wie auch Professor Challenger zusammenführt. Sie beantwortet endlich die Frage, was eigentlich während der Marsinvasion mit dem großen Detektiv geschah, der damals schließlich auf dem Höhepunkt seines Schaffens stand, sowie, was aus dem verschwundenen Kristallei aus der oben erwähnten Kurzgeschichte von H.G. Wells wurde. Schhließlich ließ sich auch Dr. John Watson, der Chronist von Sherlock Holmes es sich nicht nehmen, Mr. Wells auf einige seiner Ansicht nach unkorrekten Einzelheiten in dessen Bericht des Kriegs der Welten hinzuweisen.
Sherlock Holmes kontra Mars
Von Manly W. und Wade Wellmann
(Anmerkung des
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