Der Krieg der Zauberer, Band 1: Die Drei Steine (German Edition)
erheiterte.
„Setz dich, mein kleiner Freund, ich werde dir gerne erzählen, was es heißt, ein Barbar zu sein. Aber mach dich darauf gefasst, dass du mich anschließend nie wieder danach fragen wirst und dir stattdessen wünscht, bald wieder in Eure gemütlichen Wohnhöhlen zurückzukehren und mit deiner Schwester über Hausputz und Kuchenrezepte zu streiten!“
Lotan der Heiler hatte sich die ganze Zeit über mit Faramon, Hamafin und Alva unterhalten. Gemeinsam hatten sie versucht, die Diebstähle der beiden Engelssteine miteinander in Zusammenhang zu bringen. Ein einziges Vorkommnis dieser Art konnte durchaus einer begrenzten Intrige, einem Machtkampf innerhalb eines Volkes vielleicht, zuzuschreiben sein, aber gleich zwei? Der Eine hatte den Völkern Arthiliens und Orgard diese magischen Objekte nicht ohne Grund überantwortet, denn sie sollten bekanntlich dazu dienen, die Schergen Tuors in Schach zu halten, wenn schlechte Zeiten über die Welt kamen. Demnach war das Abhandenkommen der Steine in allererster Linie den Kreaturen Utgorths, der Brut des Höllenschlundes im hohen Norden, von Nutzen. Über zwei Jahrzehnte lang hatte sich weder Ghul noch Harpyie noch Vancor oder Werwolf im Süden blicken lassen, soweit man wusste, und doch verhieß diese neue Entwicklung nichts Gutes. Das wahrhaft Böse änderte sein Wesen nicht, auch wenn man es für eine Weile nicht sah, vielmehr war es nachtragend und hatte manchmal einen sehr langen Atem.
Anschließend, nachdem genug ernste Worte gewechselt waren, hatte sich Lotan mit Hermeline ins Gespräch über dies und jenes vertieft, und schließlich war sie geschickt auf ein Thema gekommen, das sie offensichtlich sehr interessierte: die Zauberei. Da der ältere Mensch mit dem weißen Bart und der zerknitterten, grauen Robe jedoch offenbar nicht wollte, dass sich die Mucklin allzu sehr dafür entflammte, versuchte er andauernd, sich in möglichst nichtssagende Formulierungen und Antworten zu flüchten.
„Was genau muss man eigentlich tun, um ein Zauberer zu werden? Das ist bestimmt schwierig und erfordert wahnsinnig viel Übung“, fragte sie zunächst.
„Oh ja, viel Übung ist gar kein Ausdruck! Und vor allem handelt es sich um ein sehr langweiliges Geschäft, ganz anders, als die Leute sich das gemeinhin vorstellen. Zuallererst nämlich muss ein Zauberer versuchen, die Welt in ihrer Gänze zu begreifen, wenn du verstehst, was ich meine. Naturwissenschaften, Mathematik, Astronomie bis hin zur traditioneller Medizin und Kräuterkunde – in all diesen Disziplinen muss ein angehender Adept zuerst einmal die Meisterschaft erringen. Und mit Verlaub – die allerwenigsten bringen so viel Geduld mit, allein diese Hürden zu überspringen. Sehr öde das Ganze, wie ich schon sagte, und gerade jungen, lebensfrohen Leuten wohl kaum zu empfehlen.“
„Und wie schnell wird man zu einem echten Zauberer, wenn man gut ..., ich meine, wenn man fleißig ist?“, bohrte Hermeline weiter. „Bestimmt muss man dafür sehr alt sein.“
„Hmmm, ein weiser Mann würde dir vielleicht antworten, dass das Alter nicht die Summe einer bestimmten Anzahl von Jahren ist, sondern vielmehr die Zahl der Fehler, die man im Laufe seines Lebens begangen hat und deren Auswirkungen man ausbaden musste. Und nur die wenigsten Schüler der Zauberei bringen das Durchhaltevermögen mit, solche Voraussetzungen zu erfüllen.
Sieh dir mein Beispiel an: ich habe vor fünfundzwanzig Jahren nach langer Zeit wieder dreiSchüler aufgenommen. Der talentierteste von ihnen, der gute Amfred, der durchaus das Zeug zur Meisterschaft hatte, hat mir vor ein paar Jahren den Rücken gekehrt, weil ihm mein Unterricht zu langsam vonstatten ging und weil er sich lieber seinen weltlichen Pflichten stellen wollte. Rogun, mein zweiter Schüler, ist erst letztes Jahr unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden worden. Möglicherweise hat er mit gefährlichen Kräften experimentiert und dabei die Kontrolle verloren, was sehr leicht passieren kann. Und mein dritter Schüler, Quadratus – der ist noch so schusselig und grün hinter den Ohren, dass ich mich kaum traue, ihn allein zu lassen, wenn ich außer Haus gehe. Nun, vielleicht überrascht er mich eines Tages noch, man soll die Hoffnung nie aufgeben ...“
Über leuchtenden Nebeln stieg die Morgensonne empor, und die Luft roch erdig und frisch, als die Angehörigen der Gemeinschaft am nächsten Tag ihren Weg wieder aufnahmen. Als die Sonne gegen Mittag in einer senkrechten Bahn
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