Der Krieg der Zwerge
zurück. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie die Chirurga nicht leiden konnte. »Er wird es überstehen und hat dabei etwas Wichtiges gelernt.« Sie blickte in Tungdils Augen und erwartete seine Zustimmung.
»Ich war wirklich zu unvorsichtig«, gestand er und biss die Zähne zusammen, als Myr die Stelle abtastete.
»Sie sind gebrochen, nicht angebrochen«, fauchte sie Sanda an. »Wenn deine Muskeln schwellen, sind sie deinem Hirn im Weg. Auch eine stumpfe Waffe kann töten.«
Die Tätowierungen in Sandas Gesicht gerieten in Bewegung, der Zorn formierte sie neu. Die Kriegerin wirbelte die Axt spielerisch und drohend zugleich. »Kann sie das, Myr? Wie gut, dass du es mir sagst, bevor ich dich damit streichele und aus Versehen deinen dünnen weißen Hals knicke.« Wutschnaubend verließ sie den Raum der Festung, in der sie sich täglich mit dem Zwerg traf, um ihn auf den Kampf mit Salfalur vorzubereiten.
»Ich habe mich immer für einen guten Krieger gehalten, und auch Ingrimmsch hat mich gelobt«, ächzte er und ließ sich auf die Steinbank sinken. Myr stützte ihn dabei. »Doch Sanda übertrifft mich um Längen. Sie übertrifft auch Ingrimmsch, wenn ich es mir recht überlege.«
»Du hast alle Zeit, sie zu übertrumpfen«, ermutigte ihn die Chirurga und verlangte, dass er die Stelle frei machte, damit sie ihn besser examinieren könne. Allein für dieses Wort hätte er sie küssen mögen, es klang so gelehrtenhaft und vertraut. »Vergiss nicht, dass sie dreimal so alt ist wie du und Erfahrung besitzt, die du noch nicht wettmachen kannst.« Sie schnalzte mit der Zunge, als sie den Bluterguss an seinem Rippenbogen entdeckte. »Die Lektion ist zu Ende«, entschied sie. »Du legst dich hin, und ich bringe dir Eis, damit du die Schwellung kühlst. Danach rühre ich dir eine Salbe an.«
Tungdil beugte sich vor und erhob sich; das Strecken bereitete ihm Schmerzen, die ihm zwar nicht unbekannt, aber dennoch unangenehm waren. Sie verließen Sandas und Gemmils Festung und wanderten den geschwungenen Pfad hinab, der ihnen einen Blick auf die Stadt gewährte.
Tungdil dachte an die scharfen Worte, die zwischen den beiden Zwerginnen gefallen waren. »Wie kommt es, dass ihr euch nicht leiden könnt?«, erkundigte er sich. »Ist Sanda doch eine Zwergenhasserin?«
»Nein. Wir hassen uns gegenseitig«, lachte Myr. »Es ist kein Privileg der Dritten, andere Zwerge nicht zu mögen.«
»Verrätst du mir den Grund?«
Sie schenkte ihm einen schelmischen Augenaufschlag. »Was denkst du, Tungdil? Weshalb kann es zu erbitterter Feindschaft zwischen Frauen kommen?«
Er grinste. »Ein Zwerg? Ihr habt euch in denselben Mann verliebt?« Er schaute hinauf zur Festung. »Sag nicht, dass ihr beide hinter Gemmil her wart?«
Myr wirkte verlegen und wandte ihr hübsches Gesicht in Richtung der Wasserfälle. »Ich kam aus Gemmenschatz, das ist die südlichste unserer Städte, und lernte ihn sehr bald kennen. Gerade als sich etwas zwischen unseren Herzen anbahnte, erreichte Sanda die Freien und betörte den König mit ihrem handfesten Charme. Ich habe ihr daraufhin gesagt, was ich von ihr denke, und dass ich sie für eine niederträchtige Käferlarve halte, die für die Dritten spioniert. Sie tat das Gleiche. Seitdem wissen wir, woran wir miteinander sind.«
»Du denkst, sie bespitzelt die Stadt?«
»Ja. Die Dritten wollen alle Zwerge töten, warum sollten sie vor den Freien zurückschrecken? Nur weil die ältesten Familien von uns schneeweiß sind, werden sie uns nicht verschonen. Ich denke, sie haben uns entdeckt und wollen mehr über uns und die Überläufer aus ihren eigenen Reihen wissen.«
»Und was sagt Gemmil dazu? Du hast es ihm sicher erzählt.«
»Das habe ich.«
»Und?«
»Er hat gelacht. Sein Herz macht ihn blind, aber ein paar Freunde und ich achten gemeins am auf sie. Sie kann nichts tun, ohne dass sie beobachtet wird.«
»Daher rührt ihr Hass.«
»Nein. Sie ahnt nichts. Sie fürchtet, dass ich Gemmil nicht aufgegeben habe und ich meine Zuneigung zu dir nur spiele, um sie in Sicherheit zu wiegen und ihn ihr wieder abspenstig zu machen.« Sie wandte sich Tungdil zu, und ihre roten Augen schienen geradewegs in seine Gedanken zu schauen. »Doch ich spiele nicht, Tungdil Goldhand. Es ist mir sehr ernst mit dir.«
Eigentlich wollte es sein Verstand nicht, doch eine andere Kraft übernahm seinen Körper und zwang ihn dazu, den Kopf nach vorn zu beugen und ihre Lippen mit den seinen zu berühren. Sie schmeckten süß, weich, verlockend, nach
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