Der Krieg der Zwerge
nichts von den Avataren wissen«, eröffnete er ihr seinen Verdacht. »Sie nutzen unsere Angst, um ihren größten Sieg zu feiern und mehr von uns zu töten, als es ihnen ein Krieg je ermöglichen würde. Ich schätze, dass die Hälfte von uns bei dem Marsch durch die Berge abseits der Wege, welchen sie von uns fordern, ums Leben kommen wird. Kälte, unsichere Pfade, Geröll und Schneelawinen erwarten uns.«
»Und Hunger«, ergänzte sie traurig.
»Ihre Forderungen sind brutal und einzig auf den Tod Unschuldiger ausgerichtet. Und wir wollen sie erfüllen, weil wir fest davon ausgehen, dass sie die Einzigen sind, welche über ein Mittel gegen die Avatare verfügen.« Er blickte in ihre roten Augen. »Aber Romo hat gelogen, und das kann ich beweisen. Er hat die Könige auf Geheiß seines Oheims an der Nase herumgeführt. Vor lauter Furcht hat niemand bemerkt, dass Romo beim ersten Gespräch lediglich von einer Gefahr aus dem Westen sprach und nicht von den Avataren, wie mir Boëndal sagte.«
»Dein Einwand würde mich nicht überzeugen, wenn ich ein Zwergenherrscher wäre. Romo kann es auch einfach vergessen haben …«
»Mag sein. Aber warum haben die Avatare den falschen Djerůn gegen Andôkai gesandt, wenn es die Dritten sind, die eine Waffe besitzen, welche sie aufhalten oder vernichten kann?«, setzte er nach und lächelte siegesgewiss. »Auch in dieser Hinsicht schwankte seine Aussage; mal sprach er von aufhalten, mal von vernichten.«
»Ist das bei einem Krieger wie ihm nicht dasselbe? Jedenfalls hatte es auf mich ganz den Anschein.«
»Aber es geht noch weiter mit meiner Beweisführung. Es war Unsinn zu behaupten, er könne uns nicht sagen, was für eine Waffe das sei.«
»Vielleicht ist sie so einfach herzustellen, dass sie Angst haben, wir könnten selbst darauf kommen und ihren Plan zunichte machen? Oder er wollte es aus reiner Willkür nicht preisgeben.«
»Nein. Nicht einmal einen Hauch einer Andeutung hat er gemacht – keine Auskunft darüber, ob es eine Waffe ist oder ein Gegenstand, ob man eine Schleuder benötigt oder ob es Runen sind, die auf das Tor im Westen gemalt werden müssen«, beharrte Tungdil, der sich von Myr nicht verstanden fühlte. Ihre Unterhalt ung klang nach einem Disput unter Gelehrten, wie vor einem Gericht.
»Sicher sind Zweifel berechtigt, Geliebter. Aber überlege selbst: Würden die Zwergenherrscher lieber auf ihn oder auf deine Worte hören, die vom sicheren Untergang des Geborgenen Landes künden?«
»Romo hat auch nichts bewiesen, und sie sind auf seinen Vorschlag eingegangen.« Tungdil blieb störrisch, überlegte dann aber. »Ja, ich verstehe. Die Lüge klingt besser.«
»Wäre ich Gandogar und müsste zwischen euch beiden abwägen, stünde das größere Gewicht auf der Seite der Dritten. Haben sie Recht und wir halten uns nicht an die Abmachung, wird das Geborgene Land vernichtet. Ich wollte diese Schuld nicht ein Leben lang mit mir herumtragen.«
»Und stattdessen schickst du tausende von Zwergen ins Verderben, obwohl du dir nicht sicher sein kannst, dass es keine Lüge ist?«, brauste er auf. »Das ist doch nicht dein Ernst, Myr. Bedenke, was es bedeutet, wenn wir ausgesperrt sind. Wir können uns lediglich mit List oder Gewalt einen Weg zurück in unsere Heimat bahnen, während die Dritten sich über unsere Dummheit goldgelb lachen, weil wir auf ihre Finte hereingefallen sind.« Er stand auf. »Ich muss Gandogar, den anderen Königen und den Clanoberhäuptern wenigstens diese zweite Möglichkeit vor Augen halten, auch wenn ich deine Vorbehalte verstehe.«
»Du wirst sie sicher gleich noch einmal hören.« Sie schaute zu ihm auf. »Tungdil, mich hast du nicht überzeugen können.« Sie küsste ihn auf den Handrücken. »Ich wünsche dir, dass Vraccas mit dir ist.«
* »Wir danken dir dafür, dass du uns vor einem Betrug warnen möchtest.«
Tungdil wusste, was die einleitenden Worte bedeuteten, Gandogar hätte sich die folgenden Sätze sparen können. Es ist mir nicht gelungen, sie zu überzeugen. Die Erklärungen des Großkönigs, die sich nun anschlossen, hörte er gar nicht mehr richtig, sie glichen denen Myrs, genau wie sie es prophezeit hatte.
Stattdessen schaute er über die Gesichter der Könige, der Königin und deren Begleiter, die beunruhigt, besorgt und zutiefst unglücklich dreinblickten. Sie überlegen, wie sie ihren Clans den Befehl des Großkönigs erklären sollen. Warum Zwerginnen und Zwerge sterben müssen – und das vielleicht nur wegen der
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