Der Krieg der Zwerge
die vertraglich festgehaltenen Pflichten seitens der Dritten als nicht erfüllt betrachtet.« Er rollte das Blatt zusammen. »Für uns bedeutet das: Zelte abbrechen und Abmarsch. Morgen früh möchte ich aus der Eiskammer verschwunden sein.«
»Und wohin marschieren wir, Hauptmann?«, fragte einer der Unteroffiziere.
Vallasin deutete auf einen neuen Punkt auf der Landkarte. »Wir gehen in zügigem Marsch nach Süden, wie es Belletain von uns verlangt, und schwenken scharf ein. Dort wird unser Vorstoß nicht unbedingt erwartet, die Überraschung wird groß sein.«
»Schlecht für die Gegner«, lachte einer seiner Männer, und die anderen fielen mit ein.
»Und unser Vorteil«, bestätigte der Hauptmann und war erleichtert darüber, dass sich niemand gegen das Vorhaben stellte. Er selbst betrachtete es als schwierig, zumal sie sich über die eigenen Landesgrenzen hinweg bewegten, aber Prinz Mallen von Idoslân würde sicherlich nichts dagegen haben. Es wäre der kürzeste Weg. »Bereitet die Leute darauf vor, dass sie schnell sein müssen.«
Er schickte sie hinaus und setzte ein knappes Antwortschreiben an Belletain auf. Dieses Mal gab es für ihn keinen Zweifel daran, dass er und seine kleine Streitmacht bald Erfolge vorzuweisen hätten.
Sie durften nur nicht zu spät kommen.
Das Geborgene Land, Gauragar, zehn Meilen vor der Hauptstadt des ehemaligen Zauberreiches Lios Nudin, Porista, 6234./6235. Sonnenzyklus, Winter
Balyndis verdrängte das Dunkel um ihren Verstand. Sie hob die Lider und schaute sich um, erwartete, die Kuppel über sich zu sehen, die für sie alle Schönheit verloren hatte. Zu viel hatte sie in der Halle erleiden müssen. Wäre es ihr gestattet, so würde sie den Raum eigenhändig einreißen.
Doch sie schaute auf eine weiße Zeltwand, und es war gegen Mittag, wie ihr der Stand der Sonne verriet.
Sie drehte verwundert den Kopf und sah einen braunen Haarschopf, der auf ihrem Bett lag, hörte leise Atemgeräusche, die ihr sehr vertraut waren.
Tungdil? Behutsam streckte sie die Hand aus und berührte das Haar, streichelte es vorsichtig, um ihn nicht zu wecken. Er war wohl bei seiner Wache an ihrem Lager eingeschlafen. Vraccas hat meine Gebete erhört.
Sie hob die Lage aus mehreren Decken an und betrachtete die Brandmale auf ihrem Körper, die unter der Wundsalbe als rot schimmernde Flecken zu sehen waren. Narmora muss meine gebrochenen Knochen geheilt haben. Voller Verwunderung strich sie über die Partien, aus denen bis gestern ihre gesplitterten Gebeine herausgestanden hatten.
Tungdil schreckte aus seinem Schlummer hoch. Als er sah, dass sie aufgewacht war, legte sich ein Leuchten auf sein Gesicht, das auf die Zwergin gereifter, ernster wirkte als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Was immer er in der Zwischenzeit erlebt hatte, es konnte nichts Gutes gewesen sein.
»Wie geht es dir?«, fragte er sie behutsam und umfasste ihre Hand.
»Die Maga hat Wunderbares vollbracht«, antwortete sie leise. »Ich habe beinahe keine Schmerzen mehr.« Sie zog ihn zu sich und umarmte ihn lange. Schweigend verharrten sie, bis er sich von ihr löste. »Ich stehe ewig in deiner Schuld.«
»Freunde schulden sich nichts«, lehnte er ab. »Wenn du noch meine Freundin sein möchtest, Balyndis. Ich habe mich benommen wie ein dämlicher Gnom, und darum kann ich dich nur um Verzeihung bitten«, begann er seine Rede, die er sich lange überlegt hatte. »Ich weiß nicht, ob es mein verletzter Stolz, Eifersucht oder ein anderes Gefühl waren, die mich so handeln ließen, doch ich bin mir darüber klar geworden.« Er drückte ihre Hand. »Ich wäre sehr froh, dein Freund zu sein.«
»Ich habe niemals aufgehört, dich als Freund zu sehen«, erwiderte sie, gerührt von seiner Ehrlichkeit. »So wird es immer bleiben.«
»Ja. So wird es immer bleiben«, wiederholte er glücklich und schaute in ihre Augen. Ihre Blicke verschmolzen in Liebe zueinander. »Du wirst dich übrigens auch bei Ingrimmsch und Boëndal bedanken müssen, und Furgas trägt ebenfalls einen großen Anteil an deiner Befreiung.« Rasch berichtete er von ihrem wagemutigen Ausflug in den Palast und dem Ausgang ihres Unternehmens.
Balyndis fuhr sich über den kahlen Schädel. »Diese Albin, die euch begleitete …«, sagte sie mit Wut in der Stimme. »Nach deinen Schilderungen denke ich, dass es dieselbe ist, die meine Begleiter und mich abfing und mich an den Baum band, wo die Avatare mich fanden.« Nun erzählte sie, wie es ihr ergangen war. »Nachdem die Albae
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