Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
mein Kind nicht geben. Sie sagte ungefähr, ich könne keine Tochter haben, ich hätte sie schließlich als kleines Kind verlassen und sei in den Krieg gezogen. Wie kann eine Mutter ihr Kind verlassen, noch dazu ein so hilfloses? Als ich aus dem Krieg heimkam, war meine Tochter schon sieben Jahre alt, als ich sie verließ, war sie drei gewesen. Ich fand ein großes Mädchen vor. Körperlich war sie klein, vom mangelnden Essen und mangelnden Schlaf; in der Nähe war ein Lazarett, dort sang und tanzte sie immer und bekam dafür Brot. Das erzählte sie mir später ... Zuerst wartete sie auf ihre Mama und ihren Papa, dann nur noch auf ihre Mama. Papa war gefallen ... Das verstand sie schon ...
An der Front dachte ich oft an meine Tochter, ich vergaß sie keinen Augenblick, ich träumte von ihr. Ich hatte große Sehnsucht nach ihr. Aber ich war nicht böse auf meine Schwägerin. Ich versuchte, sie zu verstehen, sie hatte ihren Bruder sehr geliebt, er war stark und schön, es war irgendwie unvorstellbar, dass er getötet werden konnte. Er fiel in den ersten Kriegsmonaten. Sie wollte nicht hergeben, was ihr von ihm geblieben war. Sie war eine der Frauen, für die Familie und Kinder das Wichtigste im Leben sind. Ob Bomben fallen, ob geschossen wird – sie denkt vor allem: Das Kind wurde heute gar nicht gebadet! Ich kann sie nicht verurteilen ...
Sie hat gesagt, ich sei grausam ... Hätte keine Frauenseele ... Dabei haben wir im Krieg sehr gelitten ... Ohne unsere Familie, unser Zuhause, unsere Kinder ... Viele hatten Kinder zu Hause, nicht nur ich. Wenn wir unterm Fallschirm saßen und auf einen Gefechtsauftrag warteten, spielten die Männer Domino, wir aber bestickten Taschentücher, bis eine Leuchtrakete das Signal zum Start gab. Wir blieben Frauen. Wissen Sie, meine Kopilotin zum Beispiel. Sie wollte ein Foto nach Hause schicken, da haben wir rumgefragt, wer ein Tuch besaß, das banden wir ihr um die Schultern, damit die Schulterstücke verdeckt waren. Es sah aus, als hätte sie ein Kleid an ... So haben wir sie fotografiert. Das war ihr Lieblingsfoto ...
Meine Tochter und ich sind noch gute Freunde geworden ... Das sind wir bis heute ...«
Antonina Grigorjewna Bondarewa ,
Fliegerin, Gardeleutnant der Luftstreitkräfte
Von Rotkäppchen und von der Freude,
im Krieg eine Katze zu treffen
»Ich brauchte lange, um mich an den Krieg zu gewöhnen ...
Wir rückten zum Angriff vor. Als ein Verwundeter aus einer Arterie blutete, das hatte ich noch nie gesehen, es spritzte wie eine Fontäne, rannte ich, um den Arzt zu holen. Der Verwundete brüllte: ›Wohin? Wo willst du hin? Bind mich mit dem Koppel ab!‹ Da erst kam ich zu mir.
Das Allerschlimmste ... Das war, als ein siebenjähriger Junge seine Mama verlor. Sie wurde getötet. Natürlich war es schlimm, wenn Soldaten starben, aber wenn eine Mutter starb ... Der Junge saß am Wegrand neben seiner toten Mutter. Er begriff nicht, dass sie nicht mehr lebte, er wartete, dass sie aufwachte, bat sie um Essen ...
Unser Kommandeur ließ den Jungen nicht weg, er nahm ihn zu sich. ›Du hast keine Mama mehr, mein Sohn, aber du wirst viele Papas haben.‹ So wuchs er bei uns auf. Als Sohn des Regiments. Seit er sieben war.
Wenn Sie wieder weg sind, wird mein Mann mit mir schimpfen. Er mag solche Gespräche nicht. Er war nicht im Krieg, er ist noch jung, jünger als ich. Wir haben keine Kinder. Ich muss immer an diesen kleinen Jungen denken. Er hätte mein Sohn sein können ...
Nach dem Krieg hatte ich mit allen Mitleid. Einen Hahn schlachten ... Einen Eber ... Hinkende Hunde und Katzen ... Ich nahm alle mit nach Hause. Irgendwie kann ich fremden Schmerz nicht ertragen. Ich habe im Krankenhaus gearbeitet, die Patienten mochten mich, weil ich so mitfühlend bin. Wir haben einen großen Garten. Ich habe noch nie einen Apfel verkauft, keine einzige Beere. Ich verschenke alles, teile mit anderen ... Ich möchte alle lieben ... Das ist noch vom Krieg geblieben ...«
Ljubow Sacharowna Nowik , Krankenschwester
»Vor dem Tod hatte ich keine Angst ... Ich sagte mir: Wenn er kommt, dann bin ich nicht mehr ... Angst hatte ich vor Folter ... Wenn sie Kameraden von uns geschnappt hatten, dann folgten ein paar Tage banges Warten: Halten sie die Folter aus oder nicht? Wenn nicht, dann gab es neue Verhaftungen. Nach einer Weile hieß es, sie sollten hingerichtet werden. Dann bekam ich den Auftrag: Geh nachsehen, wer heute gehängt wird. Du gehst durch die Straßen, siehst: Sie befestigen
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