Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
begleiteten sie bis zum Zug, dort spielte Musik, die Frauen weinten – das alles machte uns keine Angst, im Gegenteil, wir fanden es aufregend. Das Erste, was wir wollten, war, in den Zug steigen und mitfahren. Der Krieg, so schien uns, war irgendwo weit weg. Ich zum Beispiel mochte die Uniformknöpfe, die glänzten so schön. Ich besuchte bereits einen Sanitäterinnenlehrgang, aber das alles war noch irgendwie kindlich. Dann wurde die Schule geschlossen, und wir wurden zum Bau von Verteidigungsanlagen herangezogen. Untergebracht waren wir in Scheunen, auf freiem Feld. Wir waren sogar stolz, dass wir wegfuhren und etwas taten, das mit dem Krieg zu tun hatte. Wir wurden einem Bataillon von Frontuntauglichen zugeteilt. Wir arbeiteten von früh um acht bis abends um acht, bis zu zwölf Stunden am Tag. Wir schaufelten Panzergräben. Lauter Mädchen und Jungen von fünfzehn, sechzehn Jahren ... Einmal rief jemand während der Arbeit: ›Luftangriff!‹ und ›Deutsche!‹. Die Erwachsenen liefen, sich zu verstecken, doch wir waren neugierig: Wie sehen sie aus, die deutschen Flugzeuge, die Deutschen? Sie flogen vorbei, und wir konnten nichts erkennen. Wir waren richtig enttäuscht ... Nach einer Weile drehten sie um und flogen tiefer. Wir sahen die schwarzen Kreuze. Angst empfanden wir keine, nur Neugier. Und plötzlich feuerten sie aus ihren Bordgeschützen auf uns, und vor unseren Augen fielen unsere Freunde, mit denen wir zusammen zur Schule gegangen waren und gearbeitet hatten. Wir waren wie erstarrt, wir konnten nicht begreifen: Was ist das? Wir standen da und schauten ... Wie angewurzelt ... Inzwischen kamen Erwachsene angerannt und warfen uns zu Boden, aber Angst empfanden wir noch immer nicht ...
Bald waren die Deutschen schon dicht vor der Stadt, ungefähr zehn Kilometer davor. Wir Mädchen liefen ins Wehrkomitee: Also, wir müssen auch mit verteidigen, alle zusammen. Sie nahmen nicht alle, nur kräftige Mädchen, die etwas aushielten, und vor allem mussten sie schon achtzehn sein. Gute Komsomolzinnen. Ein Hauptmann suchte Mädchen für eine Panzereinheit aus. Von mir wollte er natürlich nichts hören, denn ich war noch keine siebzehn und außerdem ziemlich klein.
›Wenn ein Infanterist verwundet wird‹, erklärte er mir, ›dann fällt er auf die Erde. Da kann man hinkriechen, ihn an Ort und Stelle verbinden oder in Deckung schleppen. Aber ein Panzersoldat, das ist etwas anderes ... Wenn er im Panzer verwundet wird, dann muss man ihn durch die Luke da rausschleppen. Wie willst du das schaffen? Du weißt doch, was für kräftige Kerle die Panzersoldaten sind. Wenn man auf den Panzer klettert, dann wird der beschossen, da fliegen die Kugeln und Splitter. Und hast du eine Ahnung, was ist, wenn ein Panzer brennt?‹
Ich weinte. ›Bin ich etwa keine Komsomolzin wie die anderen?‹
›Natürlich bist du auch eine Komsomolzin. Aber eine sehr kleine ...‹
Meine Freundinnen, mit denen ich den Sanitäterinnenlehrgang besucht hatte und mit denen ich zusammen zur Schule gegangen war, das waren große, kräftige Mädchen, die wurden genommen. Es kränkte mich, dass sie gingen und ich bleiben musste.
Meinen Eltern sagte ich natürlich nichts. Ich ging die Mädchen verabschieden, und sie hatten Mitleid mit mir: Sie versteckten mich auf dem Lkw unter einer Plane. Wir fuhren mit einem offenen Laster, alle hatten Kopftücher auf – schwarze, blaue, rote ... Ein fröhliches Bild! Schura Kisseljowa hatte sogar ihre Gitarre dabei. So fuhren wir also, bald erreichten wir die Schützengräben, die Soldaten sahen uns und riefen: ›Eine Künstlertruppe! Eine Künstlertruppe!‹ Wir waren beleidigt, wir waren schließlich zum Kämpfen gekommen, und sie riefen: ›Künstlertruppe!‹
Wir fuhren zum Stab, der Hauptmann ließ uns antreten. Ich stand ganz hinten. Die anderen Mädchen hatten Sachen dabei, ich nicht. Ich war ja überraschend mitgekommen, deshalb war ich ohne Gepäck. Schura gab mir ihre Gitarre. ›Damit du nicht ohne alles bist.‹
Der Stabschef kam raus, der Hauptmann meldete ihm: ›Genosse Oberstleutnant! Zwölf Mädchen sind zur Ableistung ihres Dienstes zu unserer Verfügung eingetroffen.‹
Der sah hin. ›Aber das sind nicht zwölf, das sind ganze dreizehn.‹
Der Hauptmann blieb dabei. ›Nein, zwölf, Genosse Oberstleutnant.‹ So sicher war er, dass es zwölf waren. Dann drehte er sich um, schaute genauer hin und ging gleich auf mich los: ›Wo kommst du denn her?‹
Ich: ›Ich bin zum Kämpfen
Weitere Kostenlose Bücher