Der Krieg hat kein weibliches Gesicht (German Edition)
die Front wurde ich nicht genommen. Da führte kein Weg rein, denn ich war erst sechzehn. Der Wehrbeauftragte meinte, was solle denn der Feind von uns denken, wenn wir, kaum dass der Krieg angefangen hat, schon minderjährige Mädchen an die Front schickten.
›Der Feind muss doch geschlagen werden.‹
›Das wird er auch ohne Sie.‹
Ich redete auf ihn ein, ich sei doch groß, ich würde nie für sechzehn gehalten, sondern immer für älter. Ich stand in seinem Büro und ging nicht weg. ›Schreiben Sie achtzehn, nicht sechzehn.‹ – ›Das sagst du jetzt, und was wirst du mir später vorwerfen?‹
Nach dem Krieg wollte ich, nein, konnte ich keinen militärischen Beruf mehr ergreifen. Nur schnell raus aus den Tarnfarben! Gegen Hosen habe ich noch heute eine Abneigung. Nicht einmal zum Pilze- oder Beerensammeln im Wald ziehe ich welche an. Ich wollte etwas Normales, Weibliches anziehen ...«
Klara Wassiljewna Gontscharowa , Flak-Soldatin
»Der Krieg erreichte uns sofort ... Wir waren gerade mit der Ausbildung fertig, und am selben Tag kamen schon die ›Käufer‹, Sie wissen ja, die kamen aus verschiedenen Einheiten und suchten neue Leute. Das waren immer Männer, und wir bemerkten, dass sie Mitleid mit uns hatten. Wir betrachteten sie mit unseren Augen und sie uns mit ganz anderen: Wir stürmten vor, wollten möglichst schnell genommen werden, uns möglichst schnell beweisen; sie dagegen schauten uns erschöpft an, denn sie wussten, wohin sie uns schickten.
Es war ein Männerregiment, nur zweiundzwanzig Frauen. Das achthundertsiebzigste Langstreckenbomberregiment. Wir hatten von zu Hause zwei, drei Garnituren Wäsche mitgenommen, viel war ja nicht möglich. Dann wurden wir bombardiert und besaßen nur noch, was wir auf dem Leib trugen, worin wir weggelaufen waren. Die Männer gingen zum Durchgangspunkt, dort wurden sie neu eingekleidet. Für uns aber war nichts da. Sie gaben uns Fußlappen, und wir nähten uns daraus Höschen und BHs. Der Kommandeur schimpfte, als er das erfuhr.
Aber wir brauchten noch mehr ... Da sahen wir, die Soldaten hatten ihre Unterhemden im Gebüsch aufgehängt. Wir rissen ein paar runter ... Hinterher ahnten sie, was los war, und lachten: ›Hauptfeldwebel, gib uns neue Wäsche ... Die Mädchen haben uns unsere geklaut ...‹
Ein halbes Jahr später ... Durch die starke Belastung hörten wir auf, Frauen zu sein ... Wir hatten keine ... Der biologische Zyklus geriet durcheinander ... Klar? Das war sehr schlimm! Der Gedanke, dass du nie mehr eine Frau sein wirst ...«
Maria Nesterowa Kusmenko ,
Feldwebel, Waffenmeisterin
»Wir gaben uns Mühe ... Wir wollten nicht, dass man sagte: ›Ach, diese Frauen!‹ Wir strengten uns mehr an als die Männer, wir mussten ja zeigen, dass wir nicht schlechter waren als sie. Wir wurden lange ziemlich hochmütig, herablassend behandelt: ›Was die Weiber schon so zusammenkämpfen ...‹
Auf dem Marsch ... Etwa zweihundert Mädchen, hinter uns rund zweihundert Männer. Glühende Hitze. Sommer. Fünfundzwanzig Kilometer am Tag. Wir hinterlassen rote Flecken im Sand ... Na ja, Frauengeschichten ... Wie soll man das verbergen? Die Soldaten laufen hinter uns und tun, als bemerkten sie nichts. Aber wie uns zumute war! Wir bekamen ja nichts ... Watte und Binden reichten nicht einmal für die Verwundeten. Geschweige denn für uns ... Frauenwäsche, die gab es erst nach zwei Jahren. Wir liefen in Männerunterwäsche rum ... Na, wir marschieren also. Wir müssen schnell zur Überfahrt, dort warten schon Fähren. Wir kommen an, da werden wir bombardiert. Ein furchtbarer Bombenangriff, die Männer gehen alle in Deckung. Doch wir hören die Bomben gar nicht, wir nur schnell rein in den Fluss, und da sitzen wir, bis wir ganz durchgeweicht sind ... Wir waren überglücklich ... Der Bombenangriff war für uns nicht so schlimm wie der Umstand, wie wir aussahen. Vor den Männern ... Einige Mädchen kamen um. Direkt im Fluss – durch Splitter ... Das ist Frauenleben im Krieg ...
Und dann – der Sieg. Die erste Zeit, da ging ich durch die Straßen und konnte nicht glauben, dass der Sieg gekommen war. Ich setzte mich an den Tisch – und konnte nicht glauben, dass der Sieg gekommen war. Sieg! Unser Sieg ...«
Maria Semjonowna Kaliberda ,
Unterfeldwebel bei den Nachrichtentruppen
»Wir hatten schon Lettland befreit – wir lagen vor Daugaspils. Es war Nacht, ich wollte mich gerade hinlegen. Da hörte ich jemanden rufen: ›Halt! Wer da?‹ Zehn Minuten
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