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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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sie den Kopf ihm zu.
    »Ich habe getrunken.« Er blieb nicht stehen. Albric hatte kein Interesse, mit ihr zu reden. Er wollte nur noch schlafen, und sein Zelt war keine zwanzig Schritte weit entfernt.
    »Habt Ihr genug gehabt? Ihr stinkt nach Bier.«
    »Ich halte mich noch auf den Beinen, also lautet die Antwort wahrscheinlich nein.«
    »Sehr klug.« Ihre Stimme war kalt und scharf wie berstendes Eis. »Habt Ihr Euch einen Plan zurechtgelegt, wie Ihr den Sonnenritter herbeilocken wollt? Wenn ich mich recht erinnere, war das der Grund, warum Ihr den Tag in den Tavernen verbracht habt.«
    »Wenn ich mich recht erinnere, war der Grund, mir einen anzutrinken. Was ich getan habe, also würde ich den Tag als erfolgreich bezeichnen.« Bier und Verachtung machten ihn zu verwegen. Das begriff Albric noch im Reden. Die Götter versprachen niemandem den Sieg; er konnte alles verlieren, wenn er töricht war.
    Er hielt inne und wandte sich wieder der Frau zu. Sie leuchtete und wirkte ungeheuerlich wie stets, eine dünne Kreatur aus Schatten, gekrönt von fließendem Silber. Severine starrte ihn mit dem einen Auge an, das wie eine Geisterfackel aus Narsenghal brannte. Albric schluckte unbehaglich, und plötzlich wurde ihm bewusst, was er da herausgefordert hatte.
    »Aber ich habe einen Plan«, murmelte er, »daher könnt Ihr den Tag ebenfalls als Erfolg betrachten.«
    Sie sagte nichts. Sie saß nur da und wartete, und ihr schreckliches Auge marterte seine Seele. Er konnte gerade noch die Spitzen ihrer verstümmelten Finger im Mondlicht glitzern sehen, kalte, silberbeschlagene Klauen, die nur darauf warteten, in wärmendes Blut gesenkt zu werden.
    »Es gibt da ein Mädchen«, begann Albric, während er sich mühte, Speichel in den Mund zu bekommen, damit er reden konnte. »Ihr Name ist Mirri. Die Freundin des Verbrannten Ritters hat ihr beigebracht, Fährten zu folgen. Manchmal geht das Mädchen allein in den Wald. Es wäre ziemlich einfach, sie zu ergreifen und als Köder für eine Falle zu benutzen. Sie würden sie suchen – sie würden es tun müssen. Menschen wie sie … sie würden sich die Schuld an der Gefahr geben, in der das Kind schwebt. Dann wären sie Euer.«
    »Seine Freundin hat dieses Kind unterrichtet?«
    »Das habe ich gesagt.« Albric schüttelte den Kopf. »Was für eine Verschwendung! Sie ist viel zu hübsch dafür. Die Sonnenritter müssen wahnsinnig sein.«
    »Vielleicht«, erwiderte Severine. Sie schlug das Buch wieder auf, dessen Seiten leere Blätter aus Schatten waren, und die tote Krähe hüpfte herbei, um zu lesen. »Sorg dafür, dass das Kind geholt wird.«
    Albrics Schultern sackten vor Erleichterung herunter, wobei ihm zugleich schon das Grauen in die Knochen sickerte. Jetzt konnte er nicht mehr zurück. »Eine Sache wäre da noch«, sagte er und unterdrückte die Regung zusammenzuzucken, als sie den Kopf wieder zu ihm drehte. »Ich will Euer Wort darauf, dass dem Mädchen nichts geschieht. Es ist nur ein Kind. Ihr braucht ihm nichts anzutun, um den Ritter herbeizulocken. Sobald die Falle gestellt ist, werde ich es an einen sicheren Ort bringen. Gebt mir Euer Wort, dass Ihr Euch nicht einmischt, dass Ihr dem Kind nichts antut und dass Ihr es wieder gehen lasst.«
    »Wenn Ihr wollt«, stimmte die Dornenlady mit absoluter Gleichgültigkeit zu.
    Es war das Beste, was er bekommen würde. Albric nickte schroff und setzte voller Verachtung für sich selbst den Weg zu seinem Zelt fort.
    Hinter ihm krächzte die Krähe.
    Albric erstarrte. Ein eisiger Schauder lief ihm über Hals und Rücken, und die kleinen Härchen auf seiner Haut stellten sich auf. Keine ihrer toten Kreaturen hatte je zuvor einen Laut von sich gegeben. Wenn der Tod selbst eine Stimme gehabt hätte, wäre es dieses heisere, erstickte Röcheln, schwächlich, aber auf boshafte Weise triumphierend.
    Er hatte dem Tod viele Male in seinem Leben gegenübergestanden und niemals solche Furcht empfunden, wie sie das Krächzen der Krähe in ihm wachrief.
    »Oh ja«, sagte Severine. »Ich habe vergessen, es Euch zu erzählen.«
    Einen Moment lang verharrte der Atem in seinen Lungen. Sie wusste es. Sie wusste von seinem Verrat, von seinem Treffen mit dem Verbrannten Ritter, von dem Ausmaß, das sein Hass erreicht hatte. Ihre Magie hatte all seine Pläne aufgedeckt – wie hatte er es nur wagen können, sich etwas anderes vorzustellen –, und all seine Hoffnungen, sie aufzuhalten, waren wie Staub im Wind.
    Für einen flüchtigen, wahnsinnigen

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