Der Krieger und der Prinz
Augenblick fragte er sich, ob er irgendein Gebet kannte, das sie töten würde, wenn er sich jetzt einfach auf sie stürzte.
»Was?« Albric zwang das Wort über seine Lippen, und seine Stimme war fast so heiser wie die der Krähe. Er brachte die Willenskraft nicht auf, sich umzudrehen und sie anzuschauen, seinem Untergang ins Auge zu blicken.
»Ich habe meine Schoßtiere heute hinter dem Säugling hergeschickt. Unsere Abmachung sollte in Kürze erfüllt sein. Wie versprochen, mit einem Minimum an unnötigen Toten.«
Mit diesen letzten Worten verhöhnte sie ihn, da war Albric sich gewiss, aber es spielte kaum mehr eine Rolle. Nichts spielte eine Rolle, außer dass sein Plan funktionieren würde. Er kam sich vor wie ein Verurteilter, den man vom Galgen befreit hatte; er konnte durch den Nebel seiner Erleichterung kaum vernünftig denken und wünschte, er hätte entweder weniger getrunken oder erheblich mehr. Nur halb betäubt zu sein, half heute Nacht nicht.
Er zuckte nur mit den Achseln und ging weiter, wobei er betete, dass sich die Schwäche seiner Knie nicht in seinem Gang zeigte. »Ich hoffe, es wird nicht mehr allzu lange dauern. Ich möchte diese Angelegenheit erledigt haben.«
»Oh, das weiß ich. Vergesst nicht, was Ihr mir als Gegenleistung schuldig seid.« Die Krähe krächzte abermals. Es war wie das Gelächter eines toten Mannes. »Und denkt nicht mal daran, Eure Schuld etwa nicht begleichen zu wollen! Ich weiß von Euren Zweifeln. Ich sehe die Schatten auf der Oberfläche Eures Geistes. Aber erinnert Euch an den Preis, wenn Ihr auf den Gedanken kommen solltet, mich zu verraten – und erinnert Euch daran, wie viele zahlen werden.«
»Ich wünschte, ich könnte es vergessen«, murmelte er und öffnete den Eingang seines Zeltes. Sie versuchte nicht noch einmal, ihn aufzuhalten.
In seinem Zelt machte Albric sich mit steifen Fingern an den Riegeln seiner Laterne zu schaffen. Sie hatte fast kein Öl mehr; er war so beschäftigt gewesen, dass er es versäumt hatte nachzufüllen. Anscheinend hatte er viele Dinge zu tun versäumt. Nach unendlichen Mühen gelang es ihm, einen dünnen Strahl Öl in den Behälter zu schütten und ihm eine kleine Flamme abzuringen. Bei Mondlicht wäre es einfacher gewesen, aber er wollte lieber blind arbeiten, als auch nur einen einzigen weiteren Moment den Anblick der Dornenlady ertragen zu müssen.
Als die Laterne brannte, verknotete er die Laschen am Eingang, um die spärliche Wärme festzuhalten. Im Innern war es modrig und kalt, und das Zelt knarrte im Wind; es roch nach Segeltuch und schmutzigen Kleidern, aber trotz allem war es auf seltsame Weise tröstlich. Selbst Segeltuchwände boten ein gewisses Gefühl von Schutz gegen die Dornenlady. Es mochte eine Illusion sein, aber er würde es so nehmen.
Albric rieb sich die Hände, um wieder Gefühl in die Finger zu bekommen, und suchte nach dem Gebetbuch, in dem er seine Schreibwerkzeuge versteckt hatte. Er riss eine Seite heraus, wickelte die Spitze seines Schreibstifts aus und machte sich daran, in dem schwachen, flackernden Schein seiner Laterne sein Geständnis niederzuschreiben.
Er gab sich nicht die Mühe, diesen Brief hinter einem falschen zu verbergen. Er schrieb sein Geständnis in schlichten Worten auf. Sollten es andere Augen auf dem Weg zu seinem Lord zufällig zu lesen bekommen, umso besser; dann würden andere sehen und wissen, dass Albric alle Sünden auf dieser Reise zu seinen eigenen erklärte.
Es war ein Kampf, die richtigen Worte zu finden. Albric hatte sich niemals damit gebrüstet, sprachlich besonders talentiert zu sein: Er war ein Mann des Schwertes, kein Höfling oder Poet. Er konnte simple Tatsachen recht gut beschreiben, und Feldberichte verlangten selten mehr. Aber das hier, so fand er, sollte mehr sein als die bloße Darstellung, was wann geschehen war.
Er erwartete, dass es sein Nachruf sein würde. Bitharns Angebot war eine Ehre gewesen, aber im tiefsten Herzen glaubte er nicht, dass er in der Lage sein würde, es anzunehmen. Er hatte zu vieles gesehen und getan, das verderbt war. Erlösung verlangte mehr an Mut, als noch in ihm war.
Und obwohl Albric nicht damit rechnete, dass man sich seiner voller Lob erinnern würde, so hoffte er doch, dass andere zumindest verstehen würden, dass er seine Sünden im Namen der Pflicht begangen hatte. Nicht um seiner selbst willen: um der Hoffnung willen, etwas Besseres für seinen Lord und dessen Reich zu erringen. Und so saß er da, im Schein der
Weitere Kostenlose Bücher