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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Spione.«
    »So können wir unsere Position gleich klarstellen«, stimmte Bitharn ihm ätzend zu. Ein kurzes Schweigen folgte. Dann fragte sie seltsam sanft: »Habt Ihr darüber nachgedacht, was geschehen wird, nachdem sie tot ist?«
    »Nein.«
    »Ihr werdet Euch einige mächtige Feinde gemacht haben. Die Dornen könnten ein Exempel statuieren wollen.«
    »Dann ist es gut zu wissen, dass Ihr Euch auf den Gebrauch dieses Bogens versteht.«
    »Es gibt andere Möglichkeiten, andere Wege. Ihr könntet mit uns fahren.« Kellands Kapuze hob sich leicht in augenscheinlicher Überraschung bei Bitharns Worten, aber er unterbrach sie nicht. »Die Kuppe der Sonne sucht immer Diener mit Mut und Begabung. Was Ihr in der Vergangenheit auch getan haben mögt, Ihr habt Eure wahre Gesinnung gezeigt, weil Ihr jetzt vorgetreten seid und versucht, sie aufzuhalten. Wir würden uns freuen, Euch bei uns zu haben.«
    Erlösung. Die Idee erklang in seiner Seele wie ein hoher, reiner Ton, der unerwartet auf einer trüb gewordenen Glocke angeschlagen wurde.
    Das war ein süßes Bild, und einen Herzschlag lang gestattete er sich, es festzuhalten. Es war jedoch auch ein falsches. Das Mädchen hielt ihn für einen besseren Mann, als er war, aber Albric kannte die Wahrheit. Hier ging es nicht um Erlösung, obwohl er hoffte, dass Celestia ihm seine Sünden vergab, wenn er Severines Sünden ein Ende bereitete. Es ging um Rache. Er war niemals ein besonders guter Mann gewesen, aber er war auch kein Ungeheuer gewesen, bis die Dornenlady ihn zu ihrem Hund gemacht hatte.
    Geschlagene Hunde bissen manchmal zurück. Mehr hatte das alles nicht zu bedeuten. Mehr hatte er nicht zu bedeuten. Ein Eidbrüchiger und ein Ritter, der seine Gelübde besudelt hatte, bis er des Namens nicht mehr würdig war. Erlösung war ein schöner Traum, aber sie war kein Teil seiner Welt.
    »Ich werde darüber nachdenken«, log Albric. »Aber haltet trotzdem Eure Pfeile bereit.«
    Kurze Zeit später verließen sie die Taverne. Albric trank noch einen Becher Bier, warf eine Handvoll kleiner Münzen auf den Tisch und ging hinaus in die Nacht.
    Sobald er ins Freie trat, trieb ihm die Kälte die Tränen in die Augen. Er zog den Umhang fester um sich und schritt auf das Westtor zu, damit er möglichst lange benötigen würde, bevor er in Severines Lager zurückkehrte.
    Auf den Pflastersteinen draußen vor der Taverne lag ein kleines, zerknittertes Etwas. Zuerst hielt Albric es für einen Klumpen alter Binsen oder eine unglückliche Gassenkatze, aber dann fing sich das Mondlicht auf einem Fächer gespreizter Federn, und er erkannte in der toten Kreatur eine Krähe.
    Er drehte den Vogel mit der Spitze seines Stiefels um. Das Tier war viel zu leicht, und daran erkannte er, dass er es mit einem von Severines Geschöpfen zu tun hatte: Muskeln und Organe waren verrottet, sodass bloß die leere Hülle übrig blieb. Und die Kreatur war tot, wirklich tot, aber nicht durch einen Pfeil umgekommen.
    In dem ungewissen Licht war es unmöglich, Stichwunden zu erkennen, und natürlich hätte das Mädchen die Pfeile herausgezogen, aber Albric bezweifelte, dass sie das Tier erschossen hatte. Der Gestank nach verbrannten Federn wehte von dem kleinen Leichnam herauf, als er ihn anstieß, und geschmolzenes Eis glitzerte zwischen den Pflastersteinen, wo er lag.
    Die Geschichten sagten, dass die Ritter der Sonne Celestias heiliges Feuer herabrufen konnten, um böse Kreaturen niederzustrecken, damit die Unschuldigen nicht zu Schaden kamen. Anscheinend steckte Wahrheit in den Geschichten. Zumindest eine kleine Wahrheit. Genug, um ihm Hoffnung zu machen.
    Albric zerquetschte den Schädel der Krähe unter seinem Stiefel. Die brüchigen Knochen barsten beinahe lautlos, und er trat abermals auf die Pflastersteine, bis er nichts mehr unter seinem Absatz spürte als Staub und schmutzige Federn und Stein.
    Dann ging er weiter und verließ Tarnebrück durch das Westtor. Visionen von brennenden Ghulhunden wärmten ihn in der kühlen Nacht.
    Severine saß auf dem moosbewachsenen Baumstamm und las in der Dunkelheit ein Buch. Eine hohläugige Krähe hockte auf ihrer Schulter, hatte den zerzausten Kopf vorgestreckt und schaute auf die Seiten. Die Knochen des Halses lugten aus dem rauen Kranz schwarzer Federn um ihren Hals und zeigten die Wunde, die sie getötet hatte.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte die Dornenlady, sobald er die Lichtung betrat. Sie legte ein Band zwischen die Seiten und schloss das Buch, dann neigte

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