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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Gesicht vergessen? Warum sollte irgendjemand es zulassen, dass seine bloße Existenz davonglitt und im Nichts der Schattenländer in sich zusammenfiel?
    Weil, und das begriff sie jetzt, eine Seele, die ihrer Verankerungen beraubt war, keinen Grund zur Existenz hatte. Identität war bedeutungslos, unmöglich, wenn alle Prinzipien, Orte und Menschen, die sie geformt hatten, abhanden gekommen waren. Ohne diese Dinge war die Seele steuerlos, verloren wie ein Seemann ohne Sterne.
    So tief war Bitharn nicht in Verzweiflung versunken. Sie hatte noch immer Glauben, Freunde und Pflichten, die es zu erfüllen galt. Aber ihr Leitstern war verschwunden. Kelland hatte ohne sie gegen die Dorne gekämpft, und er hatte verloren. Er war vielleicht tot. Sie schreckte vor diesem Gedanken zurück, aber sie konnte ihn nicht leugnen. Da war so viel Blut gewesen. Zu viel. Kein Mensch hätte so viel verlieren und überleben können.
    Warum war er ohne sie gegangen? Er hatte versprochen, nicht allein zu kämpfen – und er war dem Buchstaben dieses Versprechens gefolgt, wie er es tun musste, aber nicht seinem Geist. Sie hätte diejenige sein sollen, die neben ihm stand, nicht Albric. Sie hätte es sein sollen.
    Wenn sie dort gewesen wäre, hätten ihre Pfeile die Schlacht wenden können. So viele Ghaole waren nicht an dem Kampf beteiligt gewesen. Sie hatte die Fährten gelesen; sie wusste, dass mehrere erst spät in den Kampf eingegriffen hatten, dass sie gewartet hatten, bis Kelland erschöpft gewesen war. Sie hätte die Ghaole in Kellands Sonnenfeuer hineintreiben können, hätte den Mund der Dornenlady mit gefiedertem Stahl füttern können, damit sie ihre Magie nicht hätte ausspeien können … sie hätte …
    Es spielte keine Rolle, was sie hätte tun können. Sie war nicht da gewesen, um es zu tun. Er war ohne sie aus dem Gasthaus geschlüpft, war in der letzten Dunkelheit der Nacht aufgebrochen. Heiße Tränen stiegen ihr in die Augen, und Bitharn ließ sie fließen, das Herz zu leer, als dass es sie gekümmert hätte. Alles, was er gesagt hatte – dass er sie brauche, dass er ohne sie schwächer sei –, es hatte seine Richtigkeit gehabt, er hatte gewusst, dass es so war. Warum hatte er sie unbeachtet gelassen? Wie hatte er so dumm sein können?
    Nicht dumm, dachte sie. Voller Angst. Voller Angst vor dem, was er zu verlieren hatte.
    Aber er hatte es dennoch verloren, und sie hatte es ebenfalls verloren. Also war es doch Dummheit gewesen.
    Bitharn weinte, hilflos und voller Hass auf sich selbst wegen ihrer Tränen, bis die Tür sich mit einem sanften Knarren öffnete.
    Es war Lady Inguilar. Allein, zum Glück. Hastig wischte Bitharn sich mit einem schmutzigen Ärmel die Tränen ab. Die Edeldame trat ein, setzte sich neben sie aufs Bett und bot ihr Trost an, ohne ihn aufzuzwingen.
    »Normalerweise weine ich nicht«, murmelte Bitharn.
    »Jeder weint, wenn Tränen notwendig sind.« Lady Isavela hielt ihr ein Spitzentaschentuch hin, das leicht nach Zitrone duftete, und Bitharn nahm es dankbar an. Ihre Finger hinterließen schmutzige Flecken auf dem weißen Tuch, aber die Dame tat so, als bemerke sie es nicht. »Wollt Ihr mir erzählen, was geschehen ist?«
    Sie tat es. Sie ließ den Worten freien Lauf, wie sie gerade kamen, ein chaotisches Wirrwarr, und Lady Isavela hörte ernst zu. Am Ende hielt die ältere Frau sie umfangen, wie eine Mutter eine weinende Tochter umfangen halten mochte. Bitharn wollte sich wehren, aber bevor sie es recht gewusst hätte, weinte sie von Neuem und schluchzte an der Schulter der Edelfrau.
    »Danke«, sagte Lady Isavela. »Ich weiß, dieses Wort ist so klein, so … unzureichend im Verhältnis zu dem, was Ihr verloren habt, aber es muss gesagt werden. Danke. Das Kind wird überleben, weil Ihr es in solcher Eile hergebracht habt. Die Gesegnete Eliset sagt, dass sie völlig genesen wird. Noch einen weiteren Tag, und das Eisfieber hätte sie wahrscheinlich getötet.«
    Diese Neuigkeit war Balsam auf ihre Wunden. Bitharn trocknete ihre Tränen ein zweites Mal mit dem wohlduftenden Taschentuch. »Das freut mich.«
    »Eure Neuigkeiten retten vielleicht mehr Leben als nur das des Mädchens«, erwiderte die Dame. Sie stand auf und ging in die Ecke, wo Bitharn ihre schlammigen Satteltaschen hingeworfen hatte. »Darf ich nachsehen?«
    Bitharn zuckte innerlich zusammen. Warum hatte sie ihre Taschen nicht gesäubert? Oder sie zumindest unten bei den Dienern hingestellt? Sie ließ die Gebräuche der Kuppel in einem

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