Der Krieger und der Prinz
und mein Lord würde sie niemals ausschicken, damit sie an den Toren Ang’artas sterben, selbst wenn wir welche erübrigen könnten.«
»Nein. Das ist meine Aufgabe. Ich bitte niemanden, das Töten für mich zu übernehmen … oder das Sterben. Alles, was ich will, ist … ist Hilfe. Sobald ich weiß, wo ich beginnen muss.«
»Ihr sollt sie erhalten«, versprach Lady Isavela.
»Ich danke Euch.« Bitharn schloss die Augen und wappnete sich. »Ich würde gern mit Lord Aegelmar sprechen, falls er mich empfängt. Je eher ich mit ihm rede, desto früher kann ich mich wieder auf den Weg machen.«
Die Audienz fand in der großen Halle von Distelstein statt. Die Banner, die über dem Thron gehangen hatten, waren durch andere ersetzt worden; die neuen zeigten die königliche Krone und Sonne, das uralte Emblem Rhaelyands, das die Hochkönige von Felsenhügel sich zu eigen gemacht hatten, als das Reich zusammengebrochen war. Das goldene Siegel prangte auf einem himmelblauen Feld, nicht auf dem schneeweißen des Hochkönigs, weil es nicht König Theodemar selbst war, der in dieser Halle saß, sondern sein Diener, der Lordgeneral des Südens.
Höflinge und Edelfrauen in Pelz und Samt säumten die Seiten der Halle. Unter ihnen war eine Handvoll Ritter in poliertem Stahl, außerdem von Narben verunstaltete Männer, deren abgetragene Rüstungen und das Fehlen eines Wappens Zeichen dafür waren, dass es sich um Söldner handelte – Anführer und Leutnants der größeren Kompanien, vermutete Bitharn. Lord Aegelmar oder vielleicht Lord Inguilar wollten, dass alle Kämpfer Langmyrs diese Audienz miterlebten. Vielleicht glaubten sie, es wäre einfacher, die Soldaten zurückzuhalten, wenn sie die Gründe dafür aus erster Hand erfuhren.
Vielleicht war es so. Bitharn zerbrach sich deswegen nicht den Kopf. Selbst wenn sie nicht Celestia geweiht gewesen wäre und deshalb Neutralität geschworen hätte, wäre dieser Krieg nicht ihre Angelegenheit gewesen. Sie wollte ihren Bericht abliefern und die Burg verlassen.
Die Herolde riefen ihren Namen, und Bitharn ging an den versammelten Rittern und Söldnern vorbei. Eine erstaunte Stille senkte sich über die Halle. Es lag nicht nur daran, dass sie eine Frau war. Für eine förmliche Audienz bei Lord Aegelmar, der im militärischen Rang direkt unterhalb des Hochkönigs stand, würde der schäbigste Söldner sich waschen und rasieren und seine Stiefel polieren. Aber Bitharn kam bedeckt mit Straßenstaub. Zudem hatte sich ihr Zopf halb gelöst, sodass ihr Haar ein völliges Durcheinander war.
Lord Aegelmar saß auf dem Distelthron. Den Ehrenplatz zu seiner Rechten hatten Lord und Lady Inguilar inne und zu seiner Linken eine hochgewachsene Frau in den sonnengelben Roben einer Erleuchteten. Das musste die Gesegnete Eliset sein, folgerte Bitharn. Die Gesegnete war eine hagere Frau um die fünfzig, die nicht lächelte; ihre Züge hatten eine natürliche Neigung zur Härte, aber ihre Haltung verriet eine Wärme, die die Strenge ihres Gesichts Lügen strafte.
Lord Aegelmar zeigte keine solche Sanftmut. Er war einige Jahre jünger als seine Gesegnete, aber hart wie Stahl. In sein dunkelbraunes Haar mischten sich zahlreiche graue Strähnen, ebenso in seinen kurz geschorenen Bart; seine Augen waren von der gleichen Farbe, fast schwarz, aber mit seltsamen, beinahe silbernen Flecken gesprenkelt, die man kaum bemerkte, wenn man ihm nicht sehr nahe kam.
Wie es seiner allseits bekannten Gewohnheit entsprach, hielt Lord Aegelmar das Schwert mit der blanken blutroten Klinge auf dem Schoß. Gold glänzte auf der Parierstange, und ein Granat, so groß und dunkel wie ein Taubenherz, beschwerte den Knauf; doch der Griff war umhüllt mit schlichtem, aber blutbeflecktem schwarzen Leder. Dieses Schwert, Rotes Wehklagen genannt, hatte angeblich das Blut von hundert auf dem Feld der Trauer erschlagenen Helden getrunken; das Scharlachrot war nie vom Stahl abgewischt worden. Es hieß, es sei scharf genug, um Lügen zu durchschneiden, und stark genug, eine Armee zu brechen, und Lord Aegelmar hielt es immer in Händen, wenn er Recht sprach oder sich Berichte anhörte.
Als Bitharn den Thron erreichte, neigte sie leicht den Kopf, woraufhin ein neuerliches Raunen durch die Reihen der versammelten Zuschauer ging. Lords und Ladys verneigten sich vor dem Hochkönig und seinen Repräsentanten. Die Gesegneten Celestias taten es nicht, denn sie waren keinem sterblichen Herrscher Achtung schuldig. Bitharn jedoch war keine
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