Der Krieger und der Prinz
jämmerlichen Licht erscheinen. »Bitte.«
»Das ist der Brief? Sein Geständnis?« Lady Isavela hielt die zerrissene Seite hoch. Das heilige Sternbild des Himmlischen Chors prangte auf der Außenseite, eingeprägt in Blau und Gold.
Bitharn nickte.
Lady Isavela faltete die Seite auseinander und begann schweigend zu lesen. »So viel Schmerz«, murmelte sie, als sie fertig war, strich den Brief glatt und schob ihn wieder in das Gebetbuch des toten Mannes.
»Darauf verstehen die Dornen sich.«
»Und sie verstehen sich anscheinend auch darauf, Krieg zu entfachen.« Lady Isavela blickte auf und strich sich eine dunkle Locke aus den Augen. »Glaubt Ihr Sir Albrics Geständnis?«
»Ich kann Euch nicht sagen, was im Herzen dieses Mannes vorgegangen ist.« Sie hatte einen großen Teil des Rittes damit zugebracht, sich selbst mit dieser Frage zu quälen, und zwar immer dann, wenn sie ihren Verstand dazu bringen konnte, überhaupt über irgendetwas nachzudenken, und sie hatte keine abschließende Antwort gefunden. »Vieles von dem, was wir beobachtet haben, erhärtet das, was er geschrieben hat. Wir haben in Weidenfeld Leichen gefunden, die zu seinem Bericht über das Gemetzel passen, und wir haben den unvollendeten Ghaole gefunden, den er versucht hatte zu verbrennen. Albric kam am Tag vor seinem Tod zu uns und erbot sich, die Dorne zu hintergehen. Als ich ihn sterbend fand, hatte er gegen sie und die Ghaole gekämpft – und zwar ohne Rüstung oder Schild.«
»Weil er sterben wollte.«
»Wenn er es wollte, so ist ihm sein Wunsch gewährt worden.«
»Werdet Ihr all das Lord Aegelmar erzählen? Der Hochkönig hat ihn hergeschickt, damit er hier das Kommando über die sich versammelnden Armeen übernimmt. Er ist der Lordgeneral des Südens, also unterstehen wir alle seinem Befehl.« Lady Inguilar lächelte schief. »Zum Glück ist Aegelmar ein vernünftiger Mann und ein guter General. Er hatte seinen Anteil an ›Ruhm‹ lange vor Thelyandfurt, aber er war dort, und er hat in dieser Schlacht einen beständigen Hass auf Ang’arta entwickelt. Er wird seine Männer nicht so schnell gegen Eichenharn ausschicken, wenn er weiß, dass die Dornen versucht haben, ihn dazu zu bringen, dass er genau dies tut. Wenn Ihr ihm berichtet, was Ihr erfahren habt, wird er diese Dummheit nicht begehen und die Armeen zurückziehen.«
Bitharn zuckte die Achseln, abrupt und beinahe wütend. »Das war der Grund, warum Ihr uns dort hingeschickt habt, nicht wahr? Damit wir die Mörder finden und der Welt davon erzählen und verhindern, dass es zu diesem Krieg kommen würde. Kelland glaubte, es sei wichtig, sein Leben dafür aufs Spiel zu setzen, und ich würde eher … ich werde ihm keine Schande bereiten. Ja, ich werde es Eurem General erzählen. Aber als Gegenleistung will ich auch etwas von Euch. Und von ihm.«
»Ich kann nicht für Lord Aegelmar sprechen«, sagte Lady Isavela, »aber für mich selbst. Falls es in meiner Macht steht, lautet meine Antwort ja. Alles. Was wollt Ihr haben?«
»Die Dornen haben Kelland geholt. Sie haben ihn geholt, weil Ihr ihm diese Aufgabe übertragen habt.« Das war nicht die ganze Wahrheit, vielleicht nicht einmal der größere Teil davon, aber es war das, was Bitharn glauben wollte. In ihrer Brust brannte unter der Asche der Trauer eine Glut des Zorns, und jedes Wort fachte sie heißer an. Sie hieß den Zorn willkommen und ließ sich von ihm Stärke und Entschlossenheit geben. »Ich will nicht zulassen, dass sie ihn behalten. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde ihn zurückholen. Wenn die Zeit kommt, werde ich Euch vielleicht um Hilfe bitten. Werdet Ihr sie mir gewähren?«
Lady Isavela zögerte und befingerte die tropfenförmigen Amethyste, die an ihren Ohren baumelten. »Er könnte durchaus tot sein, Kind«, sagte sie sanft. »Die Dornen nehmen auch Leichen mit.«
»Ich weiß.« Bis zu diesem Moment hatte sie es vor sich selbst nicht zugegeben; sie wollte die Worte herunterschlucken, sobald sie ausgesprochen waren. Aber sie konnte die Augen vor dieser Möglichkeit nicht verschließen. »Falls dies das Ende ist, dann ist es das Ende. Ich werde nach Cailan zurückkehren. Zurück in die Kuppel. Ich werde Euch nicht weiter behelligen. Das verspreche ich Euch. Aber falls er noch lebt, falls noch irgendeine Hoffnung besteht, werde ich ihn zurückholen. Und dazu brauche ich vielleicht Eure Hilfe.«
»Wir können Euch keine Armeen geben«, antwortete die Edelfrau. »Wir können keine Männer erübrigen,
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