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Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
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Schmieden stießen Lärm und Rauch in den Himmel, während die Waffenschmiede schufteten, alte Stücke reparierten und neue fertigten.
    Langmyr bereitete sich auf den Krieg vor.
    Nur ein Bruchteil seiner Streitkräfte war bisher dem Ruf gefolgt, und zumeist waren es fahrende Söldner oder einheimische Lords … aber über Distelstein wehten die Krone und Sonne, und das bedeutete, dass dies nur der Anfang war, denn Hochkönig Theodemar hatte seine Mannen einberufen als Antwort darauf, dass König Raharic seine Truppen an seinen Grenzen zusammenzog.
    Bitharn fragte sich, ob sie bereits gescheitert war. Es war noch nicht zu spät, die Soldaten zurückzurufen, aber wo immer junge Ritter und ruhmgierige Lords zusammenkamen, folgte das Blutvergießen auf dem Fuß. Auf der anderen Seite des Seivern, in Verehart, Schwarzast und all den anderen Eichenharner Grenzburgen versammelten sich ebenfalls Soldaten, die sich in den Kampf stürzen wollten. Krieg machte Männer reich und verwandelte ihre Vermächtnisse in Legenden; es fiel ihnen schwer, diese Träume aufzugeben, bevor sie auf dem Schlachtfeld zerstoben.
    Vorausgesetzt natürlich, dass die Sache ihren Königen und Generälen wichtig genug war, dass sie es versuchen durften. Vielleicht war es ihnen nicht wichtig genug. Vielleicht diente eine verheerende Schlacht am Vorabend des Winters ihrem Zweck am besten. Was bedeutete es ihr schon großartig? In ihrem Herzen war kein Platz für die Trauer eines anderen; sie konnte die eigene kaum tragen. Sie wollte lediglich Bericht erstatten und weggehen.
    Lady Isavela Inguilar kam ihr an den Toren der Burg entgegen. Bei ihrem Anblick glitt ein Ausdruck von Besorgnis über das Gesicht der älteren Frau, aber sie hieß ihren Gast liebenswürdig willkommen. Diener führten Bitharns geschundenes Pferd zu den Ställen und trugen Mirri in die Krankenzimmer. Ein General auf Besuch, so sagte jemand, habe eine Gesegnete in seiner Kompanie, die sich um die Verletzungen kümmern könne, die die Ghaole dem Kind zugefügt hatten. Lady Inguilar befahl einer ihrer Hofdamen, die Gesegnete sofort herbeizuholen, dann begleitete sie Bitharn zu ihren Gästezimmern.
    Sie führte die Celestianerin in eine kleine, aber behagliche Wohnung unter Distelsteins Südturm. Es war keine geringe Geste, das wusste Bitharn; die Burg war so überfüllt, dass sie Diener ihre Pritschen zusammenrollen sah, auf denen sie in den Küchen und zwischen den Hunden in der großen Halle geschlafen hatten. Ritter und Edeldamen wanderten durch die Flure; zweifellos bewohnten sie die Quartiere der vertriebenen Diener. Doch Bitharn hatte eine ganze Zimmerflucht für sich allein, und die nach Süden gehenden Räume erhielten das meiste Sonnenlicht und waren daher im Winter am angenehmsten.
    Ein großzügiges Geschenk, das jedoch nichts dazu beitrug, sie zu trösten.
    Hohläugig und schmutzig setzte Bitharn sich auf das Bett, nachdem Lady Inguilar gegangen war. Neben dem Waschtisch am Fenster befand sich ein Spiegel, aber sie warf keinen Blick hinein; sie verspürte nicht den Wunsch zu sehen, wie elend sie inzwischen aussah. Seit dem Tag, an dem Kelland gefallen war, hatte sie nicht gebadet oder sich das Haar neu geflochten. Ihre Kleider waren von der Reise verdreckt, und nachdem sie tagelang kaum gegessen hatte, spürte sie, wie locker sie an ihr herabhingen.
    Nichts von alledem zählte. Bitharn fühlte sich wie eine der verlorenen Seelen in Narsenghal, aller Dinge beraubt, die einst von Bedeutung gewesen sein mochten. Alle Menschen starben, und alle Schatten überquerten die Letzte Brücke, wenn ihr Tag kam. Jene, die im Namen der Sonne gesalbt worden waren, gingen in Celestias immergoldene Länder; jene, die anderen Göttern gedient hatten, gingen in deren eigene Länder, so glaubte Bitharn, obwohl die Solari in der Kuppel hitzige Debatten über diese Frage führten. Aber jene, die große Sünder waren, fielen von der Brücke in die sonnenlosen Länder von Narsenghal, wo sie endlos und ziellos umherirrten, durch eine Schattenlandschaft, die erfüllt war von halb realen Bruchstücken ihrer Erinnerung. Kein Licht existierte dort, kein Glück, bloß Verlust sowie ein Überrest von Erinnerungen, die langsam erloschen, bis die Totengeister ihre Gesichter verloren und zu Schatten schrumpften, nachdem sie sich selbst vergessen hatten.
    Als sie in ihrer Kindheit diese Geschichte zum ersten Mal gehört hatte, hatte sie sich gefragt, wie das sein konnte. Wie konnte ein Mensch sein eigenes

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