Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Krieger und der Prinz

Der Krieger und der Prinz

Titel: Der Krieger und der Prinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merciel Liane
Vom Netzwerk:
Ritter war gestürzt; seine Zöpfe schlängelten sich dunkel durch den Schnee, und sein Schwert lag dicht vor ihm, das Feuer erloschen. Noch atmete er, allerdings schnell und unregelmäßig, was nichts Gutes für seine Überlebenschancen verhieß. Severine hatte sich über den gefallenen Ritter gebeugt und einen fiebrigen Singsang angestimmt. Was immer sie tat, es verlangte ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Schatten umtanzten sie wie ebenholzschwarze Flammen und wurden jeden Augenblick dichter.
    Bei jedem Schritt betete Albric, und ausnahmsweise wurden seine unwürdigen Gebete erhört. Sie drehte sich nicht um.
    Albric stieß ihr sein Schwert in den Rücken.
    Es war ein tödlicher Hieb; das wusste er, sobald der Stahl sich in ihren Leib bohrte, und er dankte Celestia dafür, dass sie ihm die Kraft verliehen hatte. Er hatte befürchtet, dass die Ghaole ihn zu sehr geschwächt hätten oder dass er sich hinsichtlich der Verletzungen der Dornenlady irrte. Aber er hatte richtig geraten: Die Tatsache, dass Sir Kelland sie hatte verletzen können, bedeutete, dass ihr Schild aus Schatten verschwunden war. Er konnte sie verwunden. Er konnte sie töten.
    Doch als sein Schwert sich in die Roben der Dornenlady bohrte und über ihr Rückgrat kratzte, spürte Albric, dass es zu schnell ging, zu glatt, als würde es durch etwas weniger Substanzielles als Fleisch schneiden.
    Severine keuchte erstickt auf, brach ihren Gesang ab und wandte sich zu ihm um. Die Schatten um sie herum setzten ihren hektischen Tanz fort, sprangen höher und höher, bis sie die Bäume verschlangen. Sie bleckte die geröteten Zähne und zeigte einen Gesichtsausdruck, der ebenso ein Knurren war wie ein Lächeln. »Ihr seid ein außerordentlicher Narr.«
    Ja, versuchte Albric zu sagen. Ja, das war ich. Aber ich leiste Wiedergutmachung. Er brachte die Worte nicht über die Lippen. Eisige Bande schnürten ihm die Brust zusammen; das Atmen fiel ihm von Mal zu Mal schwerer. Er spürte, dass er fiel, und beugte sich vor, damit sein Eigengewicht das Schwert tiefer hineinstoßen würde.
    Die Schatten wirbelten um ihn herum und blendeten ihn. Sie peitschten durch die Luft wie Kriegsbanner, die ein Windsturm gepackt hatte. Die Dunkelheit, die sich um die Dornenlady und den gefallenen Ritter sammelte, erhob sich und begrub sie beide in ihren trügerischen Tiefen, die ständig in Bewegung waren. Einen Moment später fielen die Schatten in sich zusammen.
    Severine war verschwunden. Der Ritter ebenfalls. Wo sie gewesen waren, verwandelte Blut den einst makellosen Schnee in einen Sumpf aus rotem Schlamm.
    Ohne den Körper der Dornenlady, der die Klinge festhielt, entglitt Albric das Schwert, und es fiel klappernd zu Boden. Er sackte daneben zusammen, außerstande, auf seinen nutzlosen, erstarrten Beinen zu bleiben.
    Das Schwert des Verbrannten Ritters war in der Nähe hingefallen. Albric sah zu, wie die Schneeflocken sich auf seinem Knauf sammelten und die goldene Sonne bedeckten. Blut verdunkelte die silbrige Schneide der Klinge. Er starrte das Blut an und hoffte, dass sie tot war, dann ließ er zu, dass die Dunkelheit seinen Blick erfüllte, bis ihm die Lider schwer wurden.
    Ein Schrei durchdrang die Stille. Schritte kamen knirschend durch den Schnee; das Blut darauf gefror bereits wieder. Eine verschwommene Gestalt fiel neben ihm auf die Knie, und als er erschöpft blinzelnd zu ihr aufschaute, erkannte Albric die Gefährtin des Verbrannten Ritters. Bitharn. Sie hatte den Bogen gespannt und trug das Haar offen, nur halb zu einem Zopf geflochten. Die Schnallen an den Seiten ihrer Lederrüstung waren unverschlossen; sie hatte die Rüstung übergeworfen und war losgerannt. So töricht. So mutig.
    »Ist er tot? Ist … ist er tot?« Bitharn griff nach dem Schwert des Ritters und streifte den Schnee ab. Auf ihren Wangen glänzten die Spuren von Tränen.
    Eine große, unsichtbare Last drückte auf Albrics Brust. Das Atmen war wie der Versuch, am Grund des Meeres Luft zu holen. In seinen Gliedern spürte er eine bleierne Schwere und am ganzen Leib eine betäubende Kälte. Trotzdem bemühte er sich zu antworten.
    »Weiß es nicht«, brachte er krächzend heraus.
    »Er hat es mir versprochen. Er hat es mir versprochen. Er hat gesagt, er würde nicht allein kämpfen.« Die Hände der jungen Frau auf dem Schwertgriff zitterten. Sie wischte die schmelzenden Flocken ab und umschloss die Sonne darauf mit den Fingern.
    »Nicht allein. Ich war hier.« Die Worte waren selbst in seinen

Weitere Kostenlose Bücher