Der Krieger und der Prinz
Bogenschützin zu sprechen. »Welchem Umstand verdanke ich diese Ehre?«, fragte sie stattdessen.
»Hoffst du auf Frieden?«, sagte Lady Isavela unumwunden und sah ihr fest in die Augen.
Bitharn blinzelte. Sie wandte den Blick ab und fühlte sich unbehaglich. »Natürlich.«
Die Dame nickte. »Das tun wir ebenfalls. Es ist eine Hoffnung, die wir länger gehegt haben, als du auf Erden wandelst, Kind. Du hast die Männer unten über Vosric reden hören?«
Kind? Bitharn biss sich auf die Zunge und nickte.
»Seine Mutter war Eichenharnerin. Sie entfloh ihrer Familie, als sie erfuhr, dass sie schwanger war; sie waren niemals freundlich gewesen, und sie fürchtete ihren Zorn, falls sie unter ihrem Dach einen Bastard zur Welt brachte. Sie hatte solche Angst, dass sie den Fluss überquerte und hierherkam. Ich habe sie als Wäscherin aufgenommen und der Stadt gesagt, sie sei Teil meines Gefolges. Das erklärte ihren Akzent und ihre mangelnde Vertrautheit mit den einheimischen Sitten. Falls irgendjemand eine Lüge argwöhnte, hat mich niemand darauf angesprochen.
Zur entsprechenden Zeit wurde Vosric geboren, und als er alt genug war, sagte seine Mutter ihm die Wahrheit. Deswegen mied er das Schwert und wollte sich nicht der Armee meines Fürsten anschließen. Er hätte ein großer Krieger sein können; du hast gesehen, wie schnell die Bruderschaft von der Rose das begriffen hat. In einem anderen Leben hätte er vielleicht den Distelkranz getragen und seine Vettern erschlagen oder sich einer der Söldnertruppen angeschlossen und unsere Länder verwüstet. Stattdessen wandte er sich dem Frieden zu. Er hat eine gute Hand mit Tieren; er wird eines Tages einen prächtigen Jäger oder Stallmeister abgeben.
Wir haben tausend Geschichten wie diese. Kleine Samen, die mein Gemahl und ich im Laufe der Jahre gepflanzt haben, in der Hoffnung, dass wir vielleicht noch zu Lebzeiten ein Ende dieser sinnlosen Feindschaft erleben würden. Ich hätte mich niemals bereitgefunden, hier zu leben, und hätte ihn niemals geheiratet, hätte Eduin mich nicht davon überzeugt, dass es möglich sei.« Lady Isavela lächelte bekümmert. »Es tut mir leid, dass meine Geschichte so langatmig ist. Der Grund, warum ich dir dies erzähle, ist folgender: Ein Sturm zieht auf, der droht, all unsere kleinen Samen fortzureißen. Wenn wir ihn nicht abwenden, wird alles verloren sein, was wir ein Leben lang aufgebaut haben. Das Leben vieler Menschen wird vernichtet werden. Nicht nur der Menschen, die im Kampf sterben, sondern auch das Leben von Menschen wie Vosric. Menschen, die etwas anderes hätten sein können – die etwas anderes sein wollen.«
»Was wollt Ihr von mir?«, fragte Bitharn.
»Du stehst dem Verbrannten Ritter sehr nahe. Sag ihm … bitte ihn, uns heute Nacht aufzusuchen. Bitte. Ich weiß, der Glaube der Strahlenden ergreift bei Disputen zwischen Langmyr und Eichenharn keine Partei, aber was wir erbitten möchten, ist nichts in der Art. Wir wollen lediglich Eure Hilfe dabei, einen Krieg zu verhindern.«
»Wie?«
Lady Isavela schüttelte den Kopf und zog sich die Kapuze übers Gesicht, während sie rückwärts auf die Tür zuging. »Es gibt keine kurze Antwort auf diese Frage. Kommt heute Abend zu uns, und ich werde alles erklären.«
Die Tür schloss sich. Nach einer Weile tauchte Bitharn aus ihren Gedanken auf und schaute aus dem winzigen Fenster aus Blasenglas. Der Tag war vorangeschritten; es war beinahe Zeit für den Wettbewerb. Sie holte ihren Bogen aus der Ecke und ging zum Feld hinab.
Die meisten der Wettbewerber waren bereits dort. Sie scherzten und beleidigten einander, während die Zuschauer sich um die Heubündel versammelten, die die Ränder des Feldes markierten. Ein Straßenverkäufer in einem karminroten Umhang schlenderte durch die Menge und pries Brathähnchen an einem langen, stählernen Spieß an. Sein kleiner Sohn lief hinter ihm her, einen Brotkorb in Händen, der mit einem Tuch bedeckt war. Für einen zusätzlichen Penny bekam man zu dem Hähnchen eine dicke Scheibe Brot; andernfalls ließ der Verkäufer seine Vögel einfach in die Hand seines Kunden fallen. Bitharns Magen knurrte und erinnerte sie daran, dass sie seit ihrer letzten Schale Hafergrütze nach den Sonnenaufgangsgebeten nichts mehr gegessen hatte. Zu spät: Sie konnte sich jetzt wohl kaum noch die Finger mit Fett beschmutzen.
Am gegenüberliegenden Ende des Feldes standen mit Heu ausgestopfte Attrappen. Alle zeigten eine Abfolge konzentrischer Kreise,
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