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Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Der Kristallpalast: Ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Plaschka , Matthias Mösch , Alexander Flory
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eigene, und mein Haar, das fast, aber nicht völlig schwarz war, wenn man es bei Licht betrachtete. Für alle aber galt, dass Miss Niobe in erster Linie die Freundin des allseits geschätzten Lord Bailey war.
    Was sie nicht ahnten, war, dass wir die meisten dieser Geschichten selbst in Umlauf gebracht hatten und die Wahrheit dahinter selbst für mich unerreichbar blieb. Letztlich war ich vielleicht nur eine weitere Erfindung Lord Baileys, mit der er Aufsehen erregte, wie sein cremefarbener Chapeau claque oder der automatische Pfeifenreiniger. Aus seiner geheimniskrämerischen Einladung schloss ich, dass dieser Abend eine seiner vielen Prüfungen für mich werden sollte. Allein, was es zu beweisen galt, war mir noch nicht klar.
    Zurechtgestutzte Hinoki-Scheinzypressen in tönernen Kübeln säumten die Vorderseite des Hauses mit seiner prächtigen Fensterfront. Kerzenschein und Streicherklänge drangen in den Garten. Ich nahm die Gefühle der Gäste wahr, manche beschwipst, viele erheitert, einige verärgert über irgendetwas. Ein kleines Grüppchen Nachzügler kam gleichzeitig mit mir am Eingang mit den falschen, indo-korinthischen Kapitellen an. Flankiert wurde der Eingang von zwei fast identisch aussehenden Lakaien, die, kaum dass sie uns erblickten, die zweiflüglige Teakholztür aufstießen. Ich riss mich zusammen und blockte die Gefühle der Menschen ab, die mich sonst gleich wie eine anbrandende Woge getroffen hätten.
    Ich ließ mich in den Empfangssaal treiben.
    Mein Herz raste in meiner zusammengeschnürten Brust; die Korsage zwang mich, flach und stoßweise wie ein verwundeter Vogel zu atmen. Mein Rock folgte mir wie ein raschelnder Pfauenschweif. Solchermaßen gefesselt und geschützt schwebten Frauen wie funkenschlagende Gestirne durch die Gesellschaft. Die Männer ließen sich von ihnen einfangen und mitschleppen; ich dachte an Putzerfische und musste lachen, was meine Gastgeberin, die berüchtigte Lady Sedgwick, als Aufforderung missverstand, mich zu begrüßen und tiefer in ihr Reich zu geleiten, das schimmerndes Geheimnis verströmte, Versprechen von Perlen im sanften Halbdunkel einer Muschel. Schon hatte ich ein Glas in der Hand, dessen prickelnder Inhalt meine Kehle kitzelte.
    „Miss Niobe!“, trällerte sie.
    „Meine liebe Lady Sedgwick!“, erwiderte ich, und wir unternahmen den hoffnungslosen Versuch, uns über unseren Röcken mit den Wangen zu berühren. Ich machte eine wohlwollende Bemerkung über ihren Gesundheitszustand, und sie sagte etwas auf charmante Weise Neidvolles über meine Garderobe, während sie im selben Atemzug begann, mir wahllos illustre Exemplare aus ihrer Gästekollektion zu präsentieren. Ich nickte und hörte nicht auf zu lächeln, während ich mich dem Champagner hingab und Lady Sedgwick das Gefühl vermittelte, eine glückliche und bedeutsame Gastgeberin zu sein. Es fiel mir nicht schwer; ich hatte Bailey auf viele solcher Anlässe begleitet und kannte die Menschen, die man dort traf. Er betrachtete diese Partys als Übung für seinen Scharfsinn und seine Geduld – und als Beutegrund für seine Raubzüge.
    Ich fand ihn in der Nähe der Gänseleberpastete. Wie immer trug er als einziger der geladenen Herren Weiß, und augenscheinlich genoss er es wieder einmal anstoß zu erregen. Zuerst schien er mich nicht zu bemerken. In aller Ruhe schob er seine Brille zurecht, dann zwinkerte er mir mit seinem einzigen Auge schalkhaft zu, leckte sich die Finger und zwirbelte seinen Bart wie ein stolzer Pirat. Dann machte er sich daran, die Cousine Lord Claytons zu becircen. Ich verbarg meine Ungeduld und ließ ihn einstweilen stehen.
    Wie ein Springer auf einem Schachbrett bewegte ich mich durch den Raum. Ich begrüßte den Earl of Chichester, der zu meiner Linken die Kinder der kürzlich verwitweten Gräfin von Cottenham mit Impressionen von seinem Wochenende beim Pferderennen langweilte. Ich machte einem der Jungen eine Sekunde nur schöne Augen und floss dann zwischen dem osmanischen Botschafter und einer Gruppe osteuropäischer Maler hindurch zu dem großen Balkon, von dem aus man den hinteren Garten überblickte.
    Dort stand ich eine Weile an der frischen Nachtluft, atmete den Duft von Hyazinthen und parfümiertem Lampenöl und blickte über Lady Sedgwicks pittoresken Garten zu den Kirchtürmen Londons. Darüber glitzerten die Sterne, Silbersalz auf einer Kollodiumplatte. Ich ließ einen Moment meine Anspannung fallen und öffnete mich zaghaft den Gerüchen und den Gefühlen,

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