Der Kronrat (German Edition)
Mantel Omagors, dem Gott der Finsternis.«
»Omagor? Dann sind wir verloren.« Er nahm einen Schluck und lachte bitter. »Wir sind so oder so verloren, aber in einem Fall bleibt die Hoffnung übrig.« Er sah mich direkt an. »Denkt daran, wenn Ihr es wahrhaftig seid, dann dürft Ihr nicht eher fallen bis zu diesem letzten Moment. Nur so bleibt die Hoffnung.«
»Aber der Engel steht allein vor dem Gott, und nur die Tochter des Drachen kann diesen erschlagen, richtig?«, fragte ich.
»Das sagt der Gott. Es widerspricht sich, aber es muss eine Lösung geben.«
»Es gibt eine«, sagte Serafine, hob ihr tränennasses Gesicht von meiner Schulter und schniefte. »Es bleibt die Hoffnung. Also gibt es ein Danach. Der Gott spricht nicht davon, dass Kolaron im Mantel Omagors siegreich sein wird. Nur davon, dass wir verloren sind, wenn es diese Schlacht nicht geben wird. Also gibt es Hoffnung auf ein Danach.«
»Habt Ihr eben nicht von der Tochter des Drachen gesprochen? In dieser Passage sagte der Gott nichts von ihr«, erinnerte ich mich.
»Ja«, bestätigte der Priester. »Aber er sagt es an einer anderen Stelle. Wenn der Mantel der Finsternis gestohlen wird, werden die Götter gegen den ins Feld ziehen, der ihn trägt, doch es wird die Tochter des Drachen sein, die den falschen Gott besiegt.«
»Mehr nicht?« Ich war enttäuscht.
»Nein, mehr nicht. Aber wir wissen jetzt, auf was sich der Mantel der Finsternis bezieht. Auf Omagor.«
»Es ist genug«, meinte Serafine entschlossen. »Sie wird ihn erschlagen. Der Engel und die letzte Schlacht sind nötig, damit sie ihn erschlagen kann. Er wird besiegt werden. Das ist die Hoffnung.«
»Aber es scheint mir, als sollte ich es nicht mehr erleben«, meinte ich dazu und nahm jetzt selbst einen tiefen Schluck.
»Wir, die Dienerschaft unseres Gottes, werden Euch nach besten Kräften unterstützen«, erklärte der Priester leise. »Sagt uns einfach, was getan werden muss.«
»Sobald ich es weiß«, gab ich zur Antwort und stellte meinen leeren Becher ab.
»Gut«, sagte er. »Ich danke den Göttern, dass noch Zeit ist, denn noch habt Ihr die reine Seele ja nicht erschlagen.«
Ein Kind zumindest nicht, dachte ich bitter. Götter, ich hasste diese Art von Prophezeiungen. Sie gaukelten einem einen Blick in die Zukunft vor, und doch verstand man sie erst, wenn es geschehen war. Zu was waren sie also nütze?
Ob alledem hatte ich die beiden vor dem Tempel ganz vergessen, doch als jetzt plötzlich in der Ferne entsetzte Schreie zu hören waren, erinnerte ich mich an sie, und wir sprangen auf, eilten in die Haupthalle, wo sich uns ein zugleich erschreckender und befremdlicher Anblick bot. Vor dem Gott, fast zu seinen Füßen, lagen vor der unvollendeten Treppe, die zu seiner Insel führte, die zwei Männer, die vor dem Tempel gewartet hatten. Sie schrien und sie wanden sich, doch nicht nur alleine dies löste das Entsetzen aus, denn vor unseren ungläubigen Augen entstanden überall an ihnen Brandblasen, als ob sie bei lebendigem Leib gegart werden würden.
Wir alle standen herum, doch keiner wusste, was zu tun war, es gab kein Feuer zu löschen; was diese beiden brannte, war für uns nicht zu erkennen, wir konnten nichts tun als ihnen zuzusehen, wie sie litten. Sie litten lange, und erst als das Fleisch ihnen wie gekocht von den Knochen fiel, hörten sie auf zu zucken, und während dies geschah, sah ich bei dem einen zwei und bei dem anderen gleich vier Seelen aufsteigen. Dann, mit einem Mal, barsten die beiden Toten in gleißende Flammen, die fast so schnell vergingen, wie sie gekommen waren, und nichts als weiße Asche auf den Steinplatten zurückließen.
»Götter«, meinte der Hohepriester ehrfürchtig, und er war nicht alleine darin, als er das Zeichen des Gottes schlug. »Habt Ihr das gesehen?« Diesmal war es offenbar, dass nicht nur ich die Seelen gesehen hatte, denn auch andere sahen nach oben, wo die schimmernden Gebilde durch die offene Decke der Kuppel entschwanden.
»Es sind Nekromanten gewesen«, stellte Serafine fest, und der Priester nickte zögerlich. »So sieht es aus.« Viel bleicher, als er es schon war, konnte er kaum noch werden, schon jetzt glich seine Haut mehr weißem Pergament als allem anderen. Er winkte einen der anderen Diener Soltars heran. »Sagt mir, was geschehen ist.«
»Ich weiß es nicht«, gab dieser zur Antwort. »Diese beiden standen eine ganze Weile schon vor dem Tempel, als eine Sera die Stufen hochkam. Als sie kam, griffen die
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